: Iranische Asylsuchende im Hungerstreik
In dem badischen Städtchen Emmendingen hat jetzt der Gemeinderat interveniert / Hungernde Iraner mobilisieren 200 Einwohner ■ Von Erwin Single
Emmendingen (taz) - Zwei Wochen lang haben vier iranische Asylbewerber mit einem Hungerstreik vor dem Emmendinger Rathaus für ein Bleiberecht in der Bundesrepublik gekämpft. Die Iraner leben seit vier Jahren in der Bundesrepublik und befürchten, in den Iran abgeschoben zu werden. Am Mittwoch war die Gruppe bereit, ihre Aktion zunächst zu beenden.
Am Abend zuvor hatte der Emmendinger Gemeinderat eine von den Grünen eingebrachte Erklärung verabschiedet, die sich mit einem „dringenden Appell“ an das Stuttgarter Innenministerium richtet und einen „gesicherten Aufenthalt“ für die Iraner verlangt. Der Gemeinderat forderte darüber hinaus, asylsuchenden Personen ein Bleiberecht zuzusichern, solange in ihren Heimatländern „systematische Menschenrechtsverletzungen“ anhalten. Insbesondere in den Iran sollten keine Abschiebungen mehr erfolgen. Die Stadt wurde ermuntert, sich notfalls der Abschiebeanordnung des Landes zu widersetzen und zudem „geduldeten“ Asylbewerbern eine Arbeitserlaubnis und Deutschunterricht zu gewähren. Die vier Iraner, die unterschiedlichen politischen Gruppierungen angehören, waren in ihrer Heimat nur knapp dem Gefängnis entkommen. In der Bundesrepublik hatten sie Asylanträge gestellt. Bei einem der Männer sind nach Ablehnung des Asylgesuchs alle Rechtsmittel ausgeschöpft. Zwei weitere haben ebenfalls Ablehnungsbescheide erhalten, gegen die sie nun vor dem Verwaltungsgericht in Karlsruhe klagen. Beim vierten Iraner hat die Bundesstelle für Asyl Widerspruch gegen dessen Anerkennung eingelegt. Obwohl nur eine Person akut von einer Abschiebung bedroht ist, hat die ständige Ungewißheit und Angst die vier veranlaßt, gemeinsam in den Hungerstreik zu treten.
Den Hungerstreik bis zum Äußersten sehen sie als letztes Mittel an.
Daß sich die Asylbewerber vor den Augen der Stadtverwaltung zu Tode hungern - soweit wollten es die Gemeinderäte nun doch nicht kommen lassen. Bei Gesprächen am sogenannten „runden Tisch“ waren sich Vertreter der Gemeinderatsfraktionen, der Stadtverwaltung, des Emmendinger „Freundeskreises der Asylbewerber“ und der Ausländerbehörde zunächst darüber einig, daß ein Hungerstreik das falsche Mittel und die Stadtverwaltung die falsche Adresse für die Durchsetzung eines Bleiberechts sei. Die Stadtverwaltung sah keine rechtlichen Möglichkeiten, in die Asylverfahren einzugreifen. Zudem könne ein Bleiberecht seit Mitte letzten Jahres nicht mehr von der Kommune selbst, sondern lediglich vom Regierungspräsidium ausgesprochen werden, wie Oberbürgermeister Ulrich Niemann (SPD) die Rechtslage konstatierte. Dennoch wurden direkte Eingriffsmöglichkeiten gegen den Hungerstreik erwogen. Wirbel löste die auf einer öffentlichen Sozialausschußsitzung von Bürgermeister Hans -Peter Gaugenrieder geäußerte Meinung aus, die Kommune müsse in Erwägung ziehen, die Iraner eventuell in die psychiatrische Klinik in Emmendingen einweisen zu lassen, um ihrer Sorgfaltspflicht nachzukommen.
Von der Klinik wurde ein solches Ansinnen wiederum strikt abgelehnt, da eine psychische Erkrankung nicht vorliege. Erebnis eines darauf folgenen zweiten runden Tisches: Die Stadt ergreift keine Zwangsmaßnahmen.
Zu Beginn der Woche hatte sich die Situation dann zugespitzt. In einem Appell forderten zahlreiche BürgerInnen, unter ihnen vier Emmendinger Pfarrer und einige Gemeinderäte von den Behörden in Emmendingen und im Land, „sich nicht länger hinter einem Befehlsnotstand“ zu verstecken und statt dessen mehr „Zivilcourage“ zu zeigen. Auf einer Kundgebung vor 200 Menschen wurde verlangt, die Stadt solle „ein Zeichen setzten“ und den vier Iranern endlich Aufenthaltsgenehmigungen erteilen. Die Einzelschicksale vor Augen, solidarisierten sich viele BürgerInnen mit den Iranern. Der evangelische Pfarrer Richter kündigte mutig an, allen von der Abschiebung bedrohten Asylsuchenden das Pfarramt als Unterschlupf zur Verfügung zu stellen.
Nach der Aufgabe ihres Hungerstreiks appellierten die vier Iraner in einer Erklärung an den Gemeinderat, „mit ihnen gemeinsam in einen neuen Hungerstreik zu treten, wenn die Versprechungen durch die Stadt nicht eingehalten werden“.
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