: Die Anderen: Le Monde/Liberation/L'Unita
Le Monde
Zu der neuerlichen Unruhe auf den internationalen Finanzmärkten
Die Schwerpunkte der Finanzwelt, die sich ab 1945 zuerst in die USA und dann in den triumphierenden Pazifikraum verlagerten, könnten jetzt einen neuen Kurs in Richtung auf ein „großes Europa“ einschlagen, das wie vor 1939 und vor allem vor 1914 stärker auf den Osten ausgerichtet wäre. Hauptnutznießer einer solchen Entwicklung wäre Deutschland, das wieder auf seinen traditionellen Märkten in jenem „Mitteleuropa“ Fuß fassen würde, das vor dem Zweiten Weltkrieg so wohlhabend war und in dem seine Unternehmer sich wie zu Hause fühlen. Sicher wird eine solche Neugewichtung langwierig. Doch die japanischen Versicherungsgesellschaften und Rentenkassen, die in Fristen von 30 Jahren kalkulieren, wissen, wo ihr Interesse liegt: Sie reduzieren ihre Investionen in New York und steigen in Frankfurt ein.
Liberation
Zur Regierungsbildung in der DDR
Die ständig steigende Zahl der Streiks, die tägliche Abwanderung von 1500 Bürgern in die Bundesrepublik und die nicht enden wollenden Demonstrationen, die auszuufern drohen, sind die Alarmzeichen, die Hans Modrow veranlaßt haben, die außerparlamentarischen Oppositionsgruppen zur Bildung einer großen Koalition aufzurufen. Er will eine Mannschaft hinter sich bringen, die bis zu den Wahlen am 6. Mai die laufenden Geschäfte übernimmt und die für den reibungslosen Ablauf des Wahlkampfs unerläßliche Stabilität garantiert. Aber nichts deutet darauf hin, daß der Mann, der 16 Jahre lange der SED-Chef von Dresden war, seine Partei verlassen will. Durch den Austritt Modrows würde die kommunistische Partei eine ihrer wenigen Persönlichkeiten verlieren, die am 6. Mai noch die Sympathie einer Handvoll Wähler hinter sich scharen könnten.
L'Unita
USA fürchten Ölkrise in Aserbaidschan
Derzeit ist Gorbatschow in Baku von einer Gefahr bedroht, die größer ist als der ganze Aufstand. Die Konsequenz der Unruhen in Aserbaidschan könnte ein Todesstoß für die Energielieferung der Sowjetunion werden. Und vielleicht ist das die Sorge, die Bush gestern dazu bewogen hat, ausdrücklich den Gebrauch von Gewalt für die Befreiung des Erdölhafens von Baku zu entschuldigen. ... In Aserbaidschan sind immerhin zwei Drittel der ölverarbeitenden Industrie angesiedelt. ... Die amerikanischen Experten sind überzeugt davon, daß dies für Gorbatschow eine größere Gefahr darstellt als die ethnischen Unruhen und nationalistischen Ausbrüche.
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