: DDR-Befreiungsschlag gegen Müll-Kolonialismus
■ Umweltminister Diederich zieht Teil der Genehmigungen für die Deponien Schöneiche und Vorketzin zurück / Umweltgruppen kritisieren illegale Müllfrachten
Berlin (taz) - Mit einem weiteren Befreiungsschlag hat sich gestern die DDR gegen den Müll-Kolonialismus aus dem Westen zur Wehr gesetzt. Der neue DDR-Umweltminister Diederich hat mit sofortiger Wirkung alle Genehmigungen für die Abnahme von Abfällen aus dem Bundesgebiet (nicht West-Berlin) auf die Deponie Schöneiche zurückgezogen. Ebenso wurden die Genehmigungen für Giftmüll aus West-Berlin für die Deponie Vorketzin kassiert. Die Lieferung von Hausmüll aus West -Berlin nach Schöneiche läuft dagegen weiter.
Betroffen von der Entscheidung sind vor allem die Klärschlammlieferungen der Chemie-Konzerne Hoechst und Dow Chemical, die in Schöneiche in großem Umfang abgeladen wurden. Die Klärschlämme waren als „Biomasse“ deklariert und wurden auf dem riesigen Areal der zirka 120 Fußballfelder großen Hausmüllkippe auf einem besonderen Teilstück deponiert. Die Umweltgruppen, die am Donnerstag die Deponie unter großer Beteiligung der Anwohner erfolgreich blockiert hatten, legten gestern den chemischen Untersuchungsbefund von Klärschlammproben vor, die sie in Schöneiche entnommen hatten. Bei der Analyse durch Prof. Lorber von der Technischen Universität West-Berlin wurden zahlreiche Benzole, aber auch die gefährlichen PCB (Polychlorierte Byphenyle) und andere Giftstoffe analysiert. „Wir können nicht ausschließen“, schreibt Lorber, „daß es sich bei den untersuchten Proben um Sondermüll im Sinne des Abfallgesetzes handelt.“
Matthias Voigt von der Ostberliner Umweltgruppe „Arche“ hob nochmals hervor, daß Schöneiche nur für Hausmüll ausgelegt sei. Es bestehe aber der Verdacht, daß Schöneiche jahrelang illegal und ohne Genehmigung auch mit Giftabfällen aufgefüllt worden sei. Unter der verwirrenden Deklarierung „Biomasse“ sei der Hoechst-Konzern auf bequeme Weise erhebliche Giftfrachten losgeworden.
Der gleichzeitig verhängte Stopp für Giftmüll aus West -Berlin auf die Deponie Vorketzin gilt offenbar ab 1.März. Die Westberliner Umweltsenatorin Schreyer hatte zuvor mitgeteilt, daß sie die Sonderabfälle um die Hälfte reduzieren wolle. Entgegen allen früheren Beteuerungen der Senatorin, es gebe keine Alternative zur DDR-Entsorgung, zeichnen sich jetzt doch Lösungen zumindest für eine Teilentsorgung in der Bundesrepublik ab. Entsprechende Verhandlungen werden geführt.
Der gemeinsame Regionalausschuß von Ost- und West-Berlin hat sich am Donnerstag darauf geeinigt, die verseuchten Deponiestandorte Vorketzin und Schöneiche gemeinsam zu sanieren. Dieter Schröder, Chef der Berliner Staatskanzlei, erklärte dazu: „Die Probleme, die wir aufzuarbeiten haben, werden allen die Tränen in die Augen treiben: Die Sanierung wird ungeheuer teuer.“
-man
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