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Bremer Uni gegen Fritz Storim

■ Fachbereichsrat: Keine Scheine im Seminar beim Hamburger AKW-Gegner

Für das kommende Sommersemester plant der Bremer Physikprofessor Jens Scheer eine Lehrveranstaltung mit dem Thema „Emanzipatorischer Wissenschaftstransfer PhysikerInnen in Widerstandsbewegungen“. Dieses Seminar sollte ursprünglich der Hamburger Physiker Fritz Storim als Lehrbeauftragter der Universität Bremen durchführen, doch der Fachbereichsrat verweigerte die Zustimmung. Begründung: ein solcher Lehrbeauftragter rücke „den Fachbereich und damit die gesamte Universität erneut ins politische Zwielicht“. Fritz Storim war in einem umstrittenen Indizienprozeß Anfang 1989 für zwei Artikel in der Hamburger Szene-Zeitschrift „Sabot“

verantwortlich gemacht und nach 129a StGB (Unterstützung einer terroristischen Vereinigung) zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden. Nachdem er die Hälfte seiner Strafe abgesessen hatte, wurde er durch einen aufsehenerregenden Halbstrafenerlaß Ende 1989 entlassen.

Doch auch Scheers Veranstaltung ist jetzt unter den Zensurhammer des Fachgremiums gekommen: In dem Seminar dürfen keine studienrelevanten Leistungsnachweise erarbeitet werden. Faktisch werden damit alle PhysikstudentInnen von der Teilnahme ausgeschlossen. Begründung diesmal: Das Gremium gehe davon aus, daß Fritz Storim in dieser Veranstaltung „an wesent

licher Stelle zu Wort kommen“ würde. „Zu Recht“, bekennt der Physiker Scheer freimütig. Seine Veranstaltung sei auch als Akt der Solidarität mit dem Kernkraftgegner geplant.

Thema der Veranstaltung sollte die Vermittlung wissenschaftlicher Forschung an die Bevölkerung sein. „Ein hervorragendes Beispiel bildet die Art und Weise, wie Hamburger PhysikerInnen in den siebziger Jahren den Bauern, die gegen das AKW Brokdorf kämpften, wissenschaftliche Kenntnisse vermittelten, mit denen sie sich selbständig und selbstbewußt gegen die offiziellen Gutachten wehrten“, heißt es in einer Ankündigung des Bremer Hochschullehrers. ma

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