„Die wollen das Ding jetzt unbedingt durchziehen“

Der Sprecher der BI Lüchow-Dannenberg, Wolfgang Ehmke, zum Nervenkrieg um den Baubeginn der Pilotkonditionierungsanlage (PKA)  ■ I N T E R V I E W

taz: Seit Wochen mobilisiert die Bürgerinitiative Lüchow -Dannenberg auf einen Termin hin, den sie gar nicht genau kennt - den Baubeginn der PKA. Was passiert, wenn die Baugenehmigung bis zum Demo-Termin am kommenden Samstag nicht vorliegt?

Wolfgang Ehmke: Erstens: Der Demo-Termin steht nicht ausschließlich im Zusammenhang mit der PKA. Wir demonstrieren in Gorleben und Stendal (am 11. März, Red.) gegen das Ost-West-Atomprogramm. Zweitens: Der Termin in Gorleben wurde bewußt gewählt, weil wir fest damit rechnen, daß noch diese Woche die Baugenehmigung und die 1. Teilgenehmigung für die PKA erteilt werden. Deshalb wird bundesweit nicht nur auf die Demonstration hin mobilisiert, sondern auch die Möglichkeit einer Platzbesetzung offengehalten.

Auf der offiziellen Ebene bewegt sich bisher wenig. Ist auszuschließen, daß die Behörden, denen ja die Mobilisierung nicht entgangen sein kann, bewußt verzögern, um die Demonstration ins Leere laufen zu lassen?

Ich glaube nicht, daß die Gegenseite politisch so klug agiert. Sie hält sich an ihren Fahrplan. Wir wissen, daß der Landkreis, der jetzt die Entscheidung über die Baugenehmigung zu fällen hat, von der Bezirksregierung angehalten ist, die Genehmigung noch in dieser Woche zu erteilen. Die wollen das Ding jetzt durchziehen. Und der Landkreis wird nach meiner Überzeugung in diesen Tagen entscheiden. Der Termin für die erste Teilgenehmigung steht in der Tat noch nicht fest. Sie liegt aber in der Schublade des Ministeriums. Daß die Behörden es eilig haben, hängt natürlich auch mit der politischen Situation in Niedersachsen zusammen. Man will sicherstellen, daß die Genehmigung noch in die Regierungszeit Ernst Albrechts fällt (in Niedersachsen wird am 13. Mai gewählt, Red.).

Aber eine Verzögerung ist jetzt schon eingetreten.

Ja. Es gibt offenbar Schwierigkeiten, die Baugenehmigung so unter Dach und Fach zu bringen, daß sie nicht leicht anfechtbar ist. Die Abwasserentsorgung ist nicht gesichert, weil dafür eine Pipeline zur Elbe gelegt werden muß. Die führt nach bisherigen Planungen über „Feindesland“, nämlich über das Gelände des Grafen Bernstorff, der auf unserer Seite steht. Der müßte praktisch enteignet werden. Das wird die Betreiber allerdings nicht davon abhalten, erstmal zu genehmigen und dann die Klagen abzuwarten. Die kosten ja immer Zeit, in der gebaut werden kann.

Was bedeutet die neue deutsch-deutsche Situation für die BI Lüchow-Dannenberg auch im Hinblick auf mittelfristig bevorstehende Aktionen?

Wir haben nach der Öffnung der Grenze zuerst betroffene DDR -Bürger in unserer direkten Nachbarschaft informiert. Mit dem allgemeinen deutsch-deutschen Taumel hat das nichts zu tun. Ich sehe die Chancen, die sich daraus ergeben, inzwischen sehr nüchtern. Es wird kein Wunder geschehen. Unsere Möglichkeiten, auf die Energiepolitik in der DDR Einfluß zu nehmen, sind verschwindend gering. In dieser Ansicht haben mich auch Gespräche mit der Grünen Liga und der Grünen Partei der DDR am Wochenende bestätigt. Die hoffen nur noch, bis zu den Wahlen den Durchmarsch der BRD -Energiewirtschaft aufhalten zu können. Selbstverständlich finden wir neue Bündnispartner in der DDR. Aber das wird nicht der ganz große Push für die Anti-AKW-Bewegung bei uns.

Vielleicht geht's ja auch eine Nummer kleiner. Rechnet Ihr mit der Beteiligung von DDR-Bürgern an der Demo am Samstag und vielleicht auch einer Platzbesetzung?

Wir wissen, daß sich viele Leute aus dem Grenzgebiet an der Demonstration beteiligen wollen. Die Nachrichten der letzten Tage über die Atomkraftwerke in der DDR werden ihren Teil zur Mobilisierung beitragen. Aber ich kann das natürlich nicht quantifizieren. Ob sich DDR-Bürger auch an einer Platzbesetzung beteiligen werden, wage ich zu bezweifeln. Für sie ist der demonstrative Akt der erste wichtige Schritt. Alles andere muß wohl die westdeutsche Anti -Atombewegung bewerkstelligen.

Vor einigen Wochen hat die Gruppe Ökologie (GÖK) in Hannover Gedankenspiele zur Entsorgung des Atommülls nach einem Ausstieg vorgelegt. Das Konzept der GÖK kommt ohne PKA aus. Warum greift Ihr dieses Argument nicht auf?

Wir können das aus einem ganz wichtigen politischen Grund nicht. Es gibt in der Bundesrepublik keinerlei Ausstiegsgarantie. Im Gegenteil, es sieht eher so aus, als könnte die Atomwirtschaft über den Energiemarkt DDR einmal mehr aus ihrer Klemme herauskommen. In einer solchen Situation darüber nachzudenken, was nach dem Ausstieg passiert, weckt nur falsche Hoffnungen und verbietet sich deshalb.