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Polen will in den Europarat

■ Mazowiecki stellt offiziell Aufnahmeantrag / Erneut Garantien für Polens Westgrenze gefordert / DDR beantragt Status als Sondergast im Rat: Parlamentarier wollen ohne Stimmrecht an Debatten teilnehmen

Straßburg (afp) - Polen hat gestern als zweites Land Osteuropas offiziell seine Aufnahme in den Europarat beantragt. Sein Land wolle die den Europäern gemeinsamen Werte und Prinzipien fördern helfen, begründete der polnische Ministerpräsident Tadeusz Mazowiecki vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarats in Straßburg diesen Schritt. Dafür sei der Europarat, der sich die Verteidigung der Menschenrechte und bürgerlichen Freiheiten zur Aufgabe gestellt habe, der geeignete Ort.

Zusammen mit Jugoslawien, Ungarn und der Sowjetunion hat Polen seit dem vergangenen Jahr bereits einen Status als Sondergast in der Straßburger Staatenorganisation. Gestern hat auch die DDR diesen Status beantragt, demzufolge Parlamentarier ohne Stimmrecht an den Debatten teilnehmen können. Die DDR wünsche auch die baldige Aufnahme als Vollmitglied der Staatenorganisation und sei bereit, verschiedene europäische Konventionen zu unterzeichnen, erklärte der Präsident der Europaratsversammlung, Björck. Als Vorbedingung für die Aufnahme der DDR nannte er u.a. die Entsendung von Europarats-Beobachtern zu den bevorstehenden Wahlen in der DDR, um deren demokratische Abwicklung zu überprüfen.

Polen habe die Aufnahmebedingungen des Rates erfüllt. Sein Land werde in dem eingeschlagenen Reformkurs zügig fortfahren, versicherte Mazowiecki gestern den 177 Abgeordneten aus den 23 Mitgliedsstaaten des Europarats. Seine Regierung arbeite gerade an einer Verfassung, die Polen wieder zu einem demokratischen Rechtsstaat machen werde. Nächstes Ziel sei die Herstellung einer sozialen Marktwirtschaft bei gleichzeitiger Eindämmung der Inflation. Warschau strebe ein Wirtschaftssystem an, das Mechanismen zur Ankurbelung der Produktion mit einer ausreichenden sozialen Sicherheit verbinde, erläuterte der polnische Regierungschef. Die Bedingungen zur Aufnahme seien also erfüllt.

Zur Frage der deutschen Wiedervereinigung sagte Mazowiecki, niemand könne einem Volk das Recht absprechen, in einem Staat zu leben. Die deutsche Teilung sei aber das Ergebnis einer „vom Nazi-Staat verursachten Katastrophe“, die Millionen von Menschen das Leben gekostet habe. Niemand dürfe sich daher wundern, wenn die Aussicht auf ein wiedervereintes Deutschland die Erinnerung an diese Katastrophe wachwerden lasse und „Beunruhigung“ hervorrufe. Daran ändere auch die Tatsache nichts, daß heute die Situation eine andere und „die Deutschen anders“ seien.

Die Deutschen müßten diese Sorgen aus dem Weg räumen, indem sie die deutsche Frage gemeinsam „mit allen Interessierten“ auf eine Art regelten, die „allen jenen ein Gefühl der Sicherheit gibt, die es brauchen“. Dazu gehöre vor allem die Zusicherung, daß die polnische Westgrenze unantastbar ist.

Als erstes Land Osteuropas hatte Mitte Dezember Ungarn einen Antrag auf Aufnahme in den Europarat gestellt. Dieser Antrag wird gegenwärtig geprüft.

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