SOVIELE FRAGEN

■ „Transitträume“ im Klick

Als ich das Kino verließ, sandte der Herrgott (oder wer auch immer) gerade einen stürmischen Januarregen, der glücklicherweise alles eben Gesehene und Gehörte von mir abwusch, aber nicht die anderthalb Stunden Ärger über „Transitträume“. Hartmut Jahn und Peter Wensierski drehten 1985 die Geschichte zweier (Zwillings-?)Schwestern, Marie in West-Berlin und Anne in Ost-Berlin. Beide Frauen werden von Marita Marschall gespielt, die leider die ganze Zeit mit leichtgeöffnetem Mund bedeutungsschwere Blicke versendet, wobei sie als West-Marie strahlend geschminkt ist und Dauerwelle trägt, während ihr als Ost-Schwester die Haare logischerweise platt herunterhängen und sie auch sonst eher schlicht daherkommt.

Besagte Schwestern - in den Fünfzigern noch vereint - dann durch den Mauerbau getrennt, treffen sich nach Jahren im Osten wieder und beschließen einen Tausch a la „Doppeltes Lottchen“: West-Marie soll im Osten bleiben und Anne VEB Damob (Damenoberbekleidung) ersetzen, die lieber im Westen Tuba spielen möchte. Gesagt - getan, und ab sofort wird kein Klischee mehr ausgelassen. Was man an Marita Marschalls speziellen Frisuren schon ablesen konnte, wird jetzt auch im Großen gezeigt: der Westen ist schön bunt, alles Neon, im Osten geht es eher ärmlich zu, da funktioniert zum Beispiel die Wasserleitung nicht, und wenn, dann gibt es gleich eine Überschwemmung, weil nämlich - Symbol, Symbol - die Badewanne mit DDR-Fähnchen verstopft war. Die Stasi-Beamten sächseln dumpf und bespitzeln jeden, der ein wenig anders ist, und wenn man im Westen Karriere machen möchte, muß man mindestens mit seinem Manager ins Bett.

So hat jede in dem ihr fremden Land ein paar typische Erlebnisse und auch die Liebe kommt nicht zu kurz: Der Mann im Osten heißt Mars, ist mit diesem Namen natürlich Künstler, hat im bärtigen Künstlergesicht einen trotzigen Künstlermund und eine Künstlerwohnung auf dem Dach, wo er nackte Frauen malt.

Im Westen gibt es dafür einen Pascal, der ist Sänger und darf bei jeder Filmgelegenheit singen, eine Einlage frei nach Fellini, die das Quasi-Absurde dieser ganzen Situation wohl unterstreichen soll, letztendlich aber nur eines bewirkt, nämlich, die sich beim Betrachten des Films im Kopf anhäufenden Filme um weitere zu bereichern: Warum darf dieser gräßliche Mann soviel singen? Warum gibt sich Kurt Raab für die drei Minuten her? Warum werden in solchen Filmen rührende Szenen immer mit Saxophonmusik unterlegt und in Zeitlupe gedreht? Und warum müssen die Schauspieler Sätze sagen wie: „Ich habe gespürt, daß du heute kommst“? Und schließlich: Warum kommt ein als „Kleines Fernsehspiel gedrehter Film, von dem offensichtlich sogar die Regisseure nicht mehr sonderlich überzeugt sind („Die Figuren haben keine Tiefe, aber die Dreharbeiten haben viel Spaß gemacht“), jetzt ins Kino? Weil das 1985 utopische Ende des Films - die DDR baut die Grenzanlagen ab und die Schwestern liegen vereint mit dem Künstlermars im Bett - zumindest in einem Punkt bekanntlich Wirklichkeit geworden ist. Das haben wir jetzt vom Mauerfall.

khan

„Transitträume“ ab heute täglich um 18 und 20 Uhr im Klick.