piwik no script img

„Währungsunion“ immer schneller

■ Die Verdrängung der Ostmark findet täglich mehr AnhängerInnen / Matthäus-Maier und Roth wollen die Union für Anfang 1991 / SPD-Vorschlag bedeutet Kombination aus Währungsanschluß und -reform

Berlin (taz) - Mit dem Erstarken der DDR-Mark auf einen Wechselkurs von fast 1:7 reagierten die Geldhändler in den Westberliner Wechselstuben auf die in Bonn deutlich steigende Zustimmung zur schnellen „Währungsunion“, der Verdrängung der DDR-Mark durch ihr rund doppelt so starkes westdeutsches Pendant.

Ingrid Matthäus-Maier und Wolfgang Roth, beide SPD, forderten gestern die Währungsunion noch für Anfang 1991. Die Frage laute nicht mehr, ob die D-Mark zur Währung der DDR werde, sondern, ob sich dieser Prozeß geordnet oder ungewollt vollziehe. Ein endgültiger Umwandlungskurs könne noch nicht festgelegt werden. Die Löhne sollten - nach Abschluß der Tarifverhandlungen - künftig im Verhältnis 1:1 in D-Mark ausgezahlt werden, während die Renten deutlich angehoben werden müßten. Bei Sparguthaben sollten aus sozialen Gründen nur die ersten 1.000 Mark zum Kurs von 1:1 eingetauscht werden können.

Dies bedeutet faktisch eine Währungsunion als Kombination von Währungsanschluß und -reform. Die Bundesbank solle dabei für eine strenge Stabilitätspolitik sorgen; die Staatsbank der DDR verliere ihr Recht, Noten zu drucken und den Geldumlauf zu kontrollieren. Die Zentralgewalt ist bei diesem Vorschlag nicht mehr berücksichtigt: Nicht DDR -Regierung oder Staatsbank, sondern die künftigen Länder sollen im Zentralbankrat der Bundesbank ebenso Sitz und Stimme erhalten wie die Bundesländer.

Staatsbankchef Stoll, der nicht zu einem Gespräch mit der taz bereit ist, hatte am Donnerstag der Ostberliner Zeitung 'BZ am Abend‘ erklärt, Experten der BRD und der DDR sollten eine engere währungspolitische Kooperation „mit dem Blick auf Währungsverband“ prüfen. „Die Währung gehört laut Verfassung zu den Hoheitsrechten unseres Staates, da sind demokratische Entscheidungen notwendig“, sagte Stoll.

Bundesfinanzminister Waigel erklärte zwar, die meisten Ökonomen und die Bundesbank hätten sich für einen stufenweisen Übergang zu festen Wechselkursen ausgesprochen. Für eine direkte Einführung der D-Mark spreche aber, daß sie schon heute in großem Umfang zum Zahlungsmittel in der DDR geworden sei.

Der Präsident des neuen DDR-Unternehmerverbandes, Rudolf Stadermann griff zu einer drastischen Ankündigung, um die Situation zu kennzeichnen. Der Deutschen Presse-Agentur (dpa) sagte er: „Die friedliche Revolution ist noch nicht ausgestanden.“ Wenn sich die wirtschaftlichen Erwartungen nicht bald erfüllten, sei „im August oder September ein Bürgerkrieg in der DDR nicht ausgeschlossen“.

diba

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen