Als Vorspeise Wahlquark von drüben

■ Das ZDF ist heftig in die Wahlkampfhilfe für die Brüder und Schwestern eingestiegen / Jeden Sonntag gibts eine knappe halbe Stunde unausgewogenes Parteienmenü

Auf das ZDF ist wirklich Verlaß, wenn es um Unausgewogenheit im Fernsehwahlkampf geht. Schließlich hat man ja genug Erfahrung im Umgang mit bundesdeutschen Pateien. Selbst der vorgezogene Wahltermin in der DDR konnte die Programmplaner nicht in ihrem Bemühen erschüttern, die relevanten DDR -Parteien noch vorher mit einer eigenen Sendung zu beglücken. Jeden Sonntag vor dem Essen eine halbe Stunde Wahlkampfhilfe.

Die gestrige Auftaktsendung war den Grünen (Ost), der FDP (Ost und West) sowie dem Demokratischen Aufbruch gewidmet. Ganz wie ihre westdeutsche Namensschwester hatte auch die Ost-FDP gegenüber den Grün-Alternativen einen eindeutigen Platzvorteil. Zum Einstieg durften zwar die Grünen fünf Minuten lang über organisatorische Schwierigkeiten fehlende Telefonanschlüsse, Probleme mit der Raummiete usw.

-berichten.

Dann aber war auch schon die FDP an der Reihe. Das ZDF ließ den Ost-Liberalen, die sich erst vor kurzem in Jena gegründet haben, viel Raum, die frischgemalten Plakate hochzuhalten. Die Vorlagen hatte die Schwesterpartei aus dem Westen gestiftet. Und nicht nur das, obwohl sich FDP -Geschäftsführer Rolf Bernd mit seiner Partei noch nicht ganz einig ist, ob man nicht doch lieber die ehemalige liberale Blockpartei LDPD unterstützen sollte, hat man mit einer gesponserten gelb-blauen Sondernummer des Potsdamer 'Morgen‘ der neuen FDP in Sachen Öffentlichkeitsarbeit unter die Arme gegriffen. Nicht nur Parteiemblem und Farben, sondern gleich das ganze Parteiprogramm haben die Ost -Liberalen von der FDP-West kritiklos übernommen.

Parteiführer Bruno Menzel gebährdete sich dann auch ganz so, wie man es von westlichen FDP-Politikern vor den Wahlen im Fernsehen gewohnt ist. Auf die Frage nach möglichen Bündnispartnern konterte Menzel mit wahltaktischem Kalkül: „Wir rechnen mit einem zweistelligen Ergebnis.“ Und erst nach der Wahl wolle man sich entscheiden, mit welcher Partei man zukünftig zusammenarbeiten werde.

Moderator Helmut Schimanski räumte der jüngsten, gerade 7.000 Mitglieder starken DDR-Partei soviel Platz ein, das für Wolfgang Schnurrs Demokratischen Aufbruch diesmal nur noch ein zweiminütiger Sendezipfel abfiel. Christliche Studenten aus Bonn sammeln für Kopierer, Schreibmaschinen und Büroklammern, die sie den Freunden aus der DDR samt einer Ladung frischgedruckter DA-Parteiprogramme überbringen. Schnell noch ein Blick nach Erfurt, wo Mitglieder des Bürgerkomitees gerade dabei sind, mit Hammer und pathetischer Geste die Schaltkreise der Stasi -Abhörzentrale zu zertrümmern (hätte man die nicht frei nach dem Motto „Schwerter zu Pflugscharen“ besser für den Ausbau des maroden Telefonnetzes in der DDR verwenden können?). Dann entläßt uns das ZDF mit einer scherzhaften Einlage des Dresdener Kabaretts aus dem Wahlpflichtprogramm. Im Osten nix Neues bemerkt der West-Zuschauer, bevor er sich beruhigt dem fetten Sonntagsmenü zuwendet.

utho