AL: „Fall Scherer“ neu prüfen

■ Massive Kritik der AL am Verhalten des Senats gegen den Totalverweigerer Gerhard Scherer / Weitere fünf Männer sind von Auslieferung betroffen

Der Senat hat die Alliierten im Fall des untergetauchten Totalverweigerers Gerhard Scherer unzureichend und juristisch falsch informiert. Das geht aus Informationen des Koordinationsausschusses der Totalverweigerer und der Alternativen Liste hervor. Wie die AL-Abgeordnete Renate Künast und der Vertreter der Totalverweigerer Christian Herz gestern vor der Presse erklärten, hat der Senat damit die Zustimmung zur Auslieferung von Totalverweigerern in den westdeutschen Knast „vorprogrammiert“.

Über die Anfrage des Senats und die Antwort der Alliierten Anfang Dezember, die im Wortlaut bisher weder der Öffentlichkeit noch dem kleinen Koalitionspartner AL zugänglich gemacht wurden, hat die taz bereits mehrfach berichtet. Schon Ende Oktober, als der Senat nach rechtlicher Verwirrung im Justiz- und Innenressort über den Fall Scherer bei den Alliierten anklopfte, hatten die Totalverweigerer Akteneinsicht verlangt. Außerdem hatten sie betont, daß in diesem Fall jedes Detail und auch die Gewichtung der Fakten außerordentlich wichtig sei.

Nach den jetzt vorliegenden neuesten inoffiziellen Informationen sehen sich die Totalverweigerer und die Alternative Liste nun in ihren Befürchtungen bestätigt. Sie konstatieren, daß der Fall Scherer vom Senat falsch dargestellt worden sei. Scherer, der 1987 seinen Zivildienst eigenmächtig beendete und dann nach Berlin ging, sei als noch im aktiven Wehrdienst (Zivildienst) befindlich dargestellt worden.

Laut Senat sei Scherer weiterhin mit einem Einberufungsbescheid „behaftet“ und falle folglich unter Ziffer 6c der Alliierten-Bestimmungen zur Wehrpflicht, die eine Amtshilfe von Berliner Behörden und damit eine Verhaftung und das Ausfliegen in die BRD erlaube. Das sehen die AL und die organisierten Totalverweigerer ganz anders. Nach ihrer Auffassung galt Scherer vom Zeitpunkt seiner Übersiedlung nach West-Berlin als „fiktiv entlassen“ (Zivilgesetzparagraphen 43/44). Er sei folglich damals auch nicht mehr im Besitz eines gültigen Einberufungsbescheides gewesen. Scherer falle deshalb unter Ziffer 'b‘ der Allliierten-Bestimmungen, die eine Amtshilfe nicht erlauben.

Die Alternative Liste und die Totalverweigerer forderten erneut die Akteneinsicht und eine nochmalige Prüfung des Falles durch den Innensenator. Christian Herz vom Koordinationsaussschuß wies darauf hin, daß momentan fünf weitere Männer von der Auslieferung bedroht seien. Renate Künast von der AL kündigte parlamentarische Initiativen an, um die Verfolgung von Totalverweigerern in Berlin in Zukunft zu verhindern.

Laut Künast kann das Abgeordnetenhaus die Alliierten -Bestimmungen entsprechend präzisieren.

kotte