Matriarchaler Anarchismus

■ Utopien der neuen Frauenbewegung / Vortrag von Barbara Holland-Cunz

Wie erträumen sich Frauen eine herrschaftsfreie Gesellschaft? Barbara Holland-Cunz, Politikwissenschaftlerin aus Frankfurt untersuchte 15 Science-Fiction-Romane von Frauen aus den siebziger Jahren auf ihren Inspirationsgehalt für die Frauenbewegung. Sie warf alle in einen Topf, rührte kräftig um und filterte die Phänomene eines 'matriarchalen Anarchismus‘ heraus.

Der hat natürlich basisdemokratische Strukturen. Feste Regeln sind unbeliebt. Für die Arbeit am permanenten Revolutionierungsprozeß ist den Frauen Zeit und Energie nicht zu schade. Es gibt keine Trennung zwischen Politik und Leben. Patriarchalische Nachbarstaaten der Gewalt, Naturzerstörung und Ausbeutung dienen als schlechtes Beispiel. So wollen Frauen nicht leben. Frauen der utopischen Romane

sind nicht fortschrittsgläubig, beuten die Naturressourcen nicht aus, streben nicht nach Reichtum und Luxus. Es gibt kein Eigentum an Produktionsmitteln und keine Ausbeutung. Die Frauen sind vielseitig gebildet und interessiert. Weibliche Freiheit heißt Emotionalität, Verantwortung, Phantasie.

Ein Widerspruch ist Barbara Holland-Cunz aufgefallen: Die „utopische Heldin als Protagonistin der Handlung“ widerspricht dem Gleichheitsanspruch. Und weiter: Die beschriebenen Freiheiten funktionieren nur in einer relativ strengen Organisation des Alltags. Und die vielen schönen Utopien der Männer? Sie haben die Gleichheit zwischen Frauen und Männern immer vernachlässigt, kritisiert Frau Holland -Cunz. Deshalb könnten sie keine Ideen für die Frauenbewegung

liefern.

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß die Utopien der Männer über freie und gleiche Gesellschaften von der Antike bis heute den Frauen allerhand Ideen bieten. So dachten wohl auch die Autorinnen der utopischen Romane, als sie nach Anregungen suchten. Die Männer sind bei der Verwirklichung ihrer Ideen gescheitert, und es ist an den Frauen, es besser zu machen. Vielleicht wäre deutlich geworden, was an der Frauen-Science-Fiction lesenswert und neu ist, wenn Barbara Holland-Cunz ihre trockene Analyse mit einigen Textbeispielen illustriert hätte. So aber scharrten die Zuhörerinnen unruhig mit den Füßen und warteten vergeblich auf Unterhaltsames oder gar Inspiration.

Beate Ramm