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Knast für Übersiedler

■ JVA Lesum wird Notunterkunft für Neubremer

Aus- und Übersiedler müssen in Bremen ab sofort in den Knast. Die neue Regelung von Sozialsenator Henning Scherf gilt nicht nur für rechtskräftig Verurteilte, sondern auch für nachweislich Unschuldige: Weil der Krisenstab der Sozialbehörde keine anderen Notunterkünfte mehr zur Verfügung hat, sollen DDR-Übersiedler künftig auch in der ehemaligen Jugendjustizvollzugsanstalt Lesum untergebracht werden. In dem Knastgebäude an der Hindenburgstraße sollen zunächst die Gemeinschaftsräume und die ehemalige Hausmeisterwohnung belegt werden. Ein Sprecher Scherfs schloß gestern nicht aus, daß bald auch die Zellen neue „Insassen“ bekommen werden: „Diese Möglichkeit ist uns immer noch lieber, als Übersiedler in Bunkern einzuquartieren.“

Nach wie vor kommen täglich ca. 50 DDR-Übersiedler nach Bremen. Zum ersten Mal will Scherfs Behörde ihnen jetzt auch per Beschlagnahmung von Privatgebäuden Platz schaffen. Erstes Opfer der Zwangsmaßnahmen: Die Jugendbildungsstätte „Lidice-Haus“ in Bremen Nord. Schon am Montag sollen in der Turnhalle des 90 Jahre alten Gebäudes die Betten für 70 Neubremer aufgestellt werden. Die „sofortige Vollziehbarkeit“ der

Maßnahme ist angeordnet.

Das Lidice-Haus, eine private GmbH (Geschäftsführer Heiner Erling: „Juristisch könnte Scherf nach unserem Vorbild auch das Marriot-Hotel beschlagnahmen lassen“), hat beim Verwaltungsgericht Widerspruch eingelegt. Das Urteil steht noch aus. Außerdem überlegt Geschäftsführer Erling, Scherfs Behörde regreß pflichtig zu machen: Aufgrund der Gerüchte um die Einrichtung einer Notunterkunft seien die Buchungen von Seminaren in den letzten Wochen bereits drastisch zurückgegangen. Erling: „Unsere ganze Finanzkalkulation droht zu kippen.“ Was den Lidice-Geschäftsführer zusätzlich auf die Palme bringt: Erst im August wurde der Vertrag mit der Stadt unterzeichnet, der der Bildungsstätte das Nutzungsrecht auf 25 Jahre zubilligt - kurz nachdem Vertreter der Sozialbehörde geprüft hatten, ob das Gebäude sich als Übergangslager eigne. Damals, so Erling, hätte Scherfs Notunterkunft-Fahndungstrupp noch abgewunken.

Für die Sozialbehörde ist der bevorstehende Rechtsstreit allerdings auch ein Testfall: Mit einem positiven Urteil im Rücken könnte die Zwangsbeschlagnahmung in Bremen künftig zum üblichen Instrument der Wohnraumbeschaffung werden.

K.S.

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