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Verbrechen an Kindern

■ Betr.: "Das 'kleine Geheimnis' der Väter", taz vom 3.2.90

betr.: „Das 'kleine Geheimnis‘ der Väter“, taz vom 3.2.90

Daß Ihr über den sexuellen Mißbrauch schreibt, begrüße ich sehr. Man kann gar nicht genug darüber schreiben, über dieses „bestgehütete Geheimnis“, wie Florence Rush es nannte, daß das „bestentschuldigte Verbrechen“ zu nennen mir allerdings angemessener schiene.

Denn was ist es denn sonst? (...) Was also soll dieses psychologisierende Drumherumreden? Geheimnis! Fließende Übergänge! Was soll das Reden über kindliche Bedürfnisse! Über die Liebe zu den Eltern, die Suche nach Zärtlichkeit!

Mir kommt das immer wieder in diesem Zusammenhang angestimmte Lied von der Uneindeutigkeit des Sexuellen etc. wie eine gigantische Rechtfertigungslitanei vor. Teil des Themas im übrigen.

Niemand redet über die verführerische Verzierung der Torte, die der Hungrige stahl. Niemand macht dem trockenen Holz des Treppenhauses, das der Brandstifter anzündete, einen Vorwurf! Doch über die Schönheit und Erotik der Kinder, über die ein „Erzeuger als Erzieher“ (Thomas Bernhard) herfiel, redet und schreibt man, als hätte man noch immer nicht verstanden, daß ein Verbrechen ein Verbrechen ein Verbrechen ist.

Gisela Haehnel

Sexueller Mißbrauch an Kindern - ein Frauenproblem?

Es ist sehr begrüßenswert, daß über sexuellen Mißbrauch an Kindern und besonders an Mädchen in letzter Zeit verstärkt aufgeklärt wird. Vielleicht kann auf diese Weise endlich der unhaltbare Zustand geändert werden, daß ein mißbrauchtes Mädchen sich im Durchschnitt an sechs bis sieben Personen wendet, bevor ihr zum ersten Mal geglaubt wird. (...)

Ich halte die Plazierung des Artikels auf der Frauenseite für zwar „typisch“, aber nicht unbedingt passend, denn: Die Täter sind Männer! Und es wird höchste Zeit, daß Männer sich mit ihrer Täterrolle auseinandersetzen. Wie schon im Artikel deutlich gesagt wurde: 300.000 Kinder jährlich werden nicht von fünf oder sechs Monstern mißbraucht, sondern von vielen ganz normalen Männern. Auch von taz-Lesern.

In meinen Augen kann sich kein Mann durch ein einfaches „Ich habe noch kein Kind mißbraucht“ der Auseinandersetzung entziehen. Ich fordere von mir und allen Deutschen, uns mit unserem Denken und Verhalten AusländerInnen und allgemein Fremden gegenüber und unserer Einstellung zu Autoritäten kritisch auseinanderzusetzen, um für Gegenwart und Zukunft die Herrschaft faschistischer Zustände zu verhindern. Genauso fordere ich auch von jedem einzelnen Mann, daß er sich mit seinen eigenen und den Verhaltensweisen seines Geschlechts kritisch beschäftigt, um die von Männern ausgehende Gewalt gegen Frauen und Mädchen (und auch Jungen) zu bekämpfen.

Ulrike Grömping, Dortmund

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