: Zur Weihnachtszeit Bananen fürs Volk
■ Honecker verfügte privat über 100-Millionen-D-Mark-Konto / Geld für Mikrochips und Bananen verwendet
Ost-Berlin (ap) - Der gestürzte Staats- und Parteichef Honecker hat nach Angaben der Staatsanwaltschaft während seiner Regierungszeit über ein persönliches Konto verfügt, auf dem täglich mindestens 100 Millionen D-Mark liegen mußten. Aus diesem Konto kaufte er mal Computer für die von ihm mit großem Elan geförderte Mikrochip-Entwicklung, mal beglückte er das Volk kurz vor Weihnachten mit Bananen. Diese Einzelheiten seien bei den Ermittlungen gegen den jetzt schwerkranken Politiker festgestellt worden, wie der stellvertretende DDR-Generalstaatsanwalt Lothar Reuter am Mittwoch in Ost-Berlin bekanntgab. Honeckers privates Verfügungskonto wurde laut Reuter von DDR-Devisenhändler Alexander Schalck-Golodkowski bestückt. Er sei Honecker persönlich dafür verantwortlich gewesen. Bereits im März soll gegen Honecker Anklage erhoben werden (siehe Meldung links oben).
Der Staatsanwalt nannte es ein Phänomen, daß die Beschuldigten nur ein geringes Schuldbewußtsein hätten. „Sie anerkennen zwar die Verantwortung für politische Fehler, auch für Pflichtverletzungen verschiedenster Art. Aber sie sind weitgehend nicht bereit, die Verantwortung für die immense Vergeudung von Staatsvermögen zu übernehmen.“ Sie hätten die Privilegien als „selbstverständlich für sie zurechtgeschneidert, als Gewohnheitsrecht“ aufgefaßt.
So habe sich der Abteilungsleiter im SED-Zentralkomitee, Hermann Pöschel, wie selbstverständlich einmal die Woche im zentralen Asservatenlager des Zolls bedient. Er sollte laut Reuter aus den eingezogenen Gegenständen „Inspirationen für technische Entwicklungen in der DDR“ ziehen. Doch Pöschel habe die Waren lieber verschenkt.
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