piwik no script img

Grüne deutschlandpolitisch verwirrt

Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Antje Vollmer, beharrt weiter auf Position der Zweistaatlichkeit und stellt die Machtfrage / Fraktionsäußerung sei lediglich mißverständlich  ■  Aus Bonn Gerd Nowakowski

Die Grünen seien nicht umgefallen in der Position der Zweistaatlichkeit, sondern hätten sich nur eine „kleine Verwirrung geleistet“, korrigierte gestern die Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Antje Vollmer, das in der Öffentlichkeit entstandene Bild. Die Grünen werden auch weiterhin die Eigenständigkeit und die Selbstbestimmung der DDR verteidigen, hätten aber akzeptieren müssen, daß der Spielraum dafür immer mehr eingeschränkt wird. Eine Konförderation zweier selbstständiger Staaten „bis auf weiteres“ definierte sie als das Ziel grüner Politik, auch wenn dies derzeit eine „ehrenvolle Minderheitenrolle“ bedeute. Dies habe die Fraktion eigentlich in der Erklärung zur Deutschlandpolitik ausdrücken wollen, die als Abschied der Grünen von der Zweistaatlichkeit interpretiert wurde. In der Präambel der Erklärung heißt es, durch die Entwicklungen seien die „Grundlagen für ein Festhalten an der Zweistaatlichekit entfallen“. Gleichzeitig aber wird betont, ein Nationalstaat sei kein „wünschenswertes Ordnungsprinzip“. Frau Vollmer verwies darauf, daß im hinteren Teil der Erklärung sowohl von einer Konförderation die Rede ist, als auch vom Selbstbestimmungsrecht der DDR -Bürger, über ihre Zukunft selbst zu entscheiden. Sie gehe davon aus, daß die Fraktion ihre Interpretation mittrage, sagte Frau Vollmer.

Hinter Frau Vollmers Darstellung verbirgt sich ein Machtkampf in der Fraktion. Die Fraktionsvorsitzende lehnt die Präambel der Erklärung ab, die erst kurzfristig vor der Abstimmung am Dienstagabend eingebracht wurde und bei der Antje Vollmer nicht mehr anwesend war. Frau Vollmer hatte danach gar ihren Rücktritt aus dem Fraktionsvorstand erwogen. Zu hören war, daß mit der aus der Tasche gezogenen Formulierung die „Realos“ die Fraktion „über den Tisch ziehen“ wollten, zumal auch die Realo-Wortführer Udo Knapp und Joschka Fischer gleichzeitig in der taz und der 'FR‘ einen Abschied der Grünen von der Position der Zweistaatlichkeit forderten.

Die Neu-Vereiniger in der Fraktion, Alfred Mechtersheimer und Eckard Stratmann forderten Antje Vollmer gestern auf, die in der Erklärung ausgedrückte „Neuorientierung“ zu resprektieren, statt durch eine „eigenwillige Interpretation neue Irritationen... auszulösen“. Der hessische Realo Hubert Kleinert nannte Frau Vollmers Position „vorsichtig ausgedrückt, ziemlich herbe“ und forderte für die nächste Fraktionssitzung eine „präzisierende Debatte“. Richtig sei, daß die Zweistaatlichkeit nicht aufgegeben worden sei, sondern nur den Realitäten angepaßt wurde. Dies schließe auch eine Konföderation nicht aus. Nur bedeute dies etwas anderes als zwei selbständige Staaten, nämlich zumindest die Aufgabe von „Teilsouveränitäten“, sagte Kleinert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen