: Und „Kanada“ war anders
■ Das Engstfeld-Weiss-Quartett spielte bei DACAPO
Zuerst war ich enttäuscht. Das Engstfeld-Weiss Quartett begann mit ganz „normalen“ Bop-Nummern, gut gemacht - ja, aber absolut unaufregend, so oder ähnlich tausendmal gehört. Der „deutsche Coltrane“ Engstfeld schien nur den frühen Coltrane zu kennen und zu mögen. Und ich dachte nur, hoffentlich dauert's nicht zu lange.
Durchbruch
Aber dann kam „Kanada“ und Kanada war anders. Mit dieser Engstfeld-Komposition spielte sich das Quartett frei, durchbrach den Rahmen der üblichen Bop-Schemata. 1. Chorus: Saxofon
Wolfgang Engstfeld ließ in seinem Tenorsax-Solo hören, daß er doch den „ganzen“ Coltrane kennt. Er erweiterte den warmen, klaren Ton, der in seiner Spielweise dominiert, brachte mehr Schärfe und eine unaufgeregte Expressivität hinein, entwickelte eine gewisse Spröde im Ton und ließ Erinnerungen an Coltranes „sheets of sound“ anklingen.
2. Chorus: Piano
Auch Achim Kaufmanns vielseitige Stilistik am Piano kam in diesem und den folgenden Stücken stärker zur Geltung. Mal rührte er in den Tasten, mal ließ er Reminiszenzen an Monks pausenbetonenden Anschlag durchklingen, mal bot er quirlig -swingende, boppige Linien.
3. Chorus: Bass
Besonders hervorzuheben ist Hartmut Kracht am Bass, eigentlich müsste ich schreiben Bass und Stimme, weil er seine rasanten Läufe mitsummte und - stöhnte. In seinen Soli entwickelte er eine geradezu symbiotische Einheit mit seinem Kontrabaß, besonders, wenn er zwischendurch einen zärtlichen oder erstaunten Blick auf das Instrument warf, so als hätte es eben ganz selbständig einen bestimm
ten Ton beigesteuert.
Gegen Ende des Auftritts hatte er noch mal Gelegenheit zu einem virtuosen Glanzpunkt, ein Solo voller Dynamik, mit grollenden Baßtönen, von hellen Zupfern konterkariert und angereichert mit perkussiven Einlagen auf dem Resonanzkörper. Es macht nicht nur Spaß ihm zuzuhören, auch das Zusehen ist eine Freude.
4. Chorus: Schlagzeug
Peter Weiss konnte mich am Sonntagabend in seiner unaufdringlich präsenten Begleitung mehr überzeugen, als in seinen Soli.
Break
Leider gab es nach dem mehr als einstündigen ersten Set eine zu lange Pause, in der sich die Reihen der zu Beginn gut besuchten Weserterrassen merklich lichteten. Mir schien auch der Fluß des Geschehens zu stark unterbrochen, die Intensität des Zusammenspiels und die dadurch entstandene Stimmung stellte sich erst gegen Ende des zweiten Sets wieder her. Bedauerlich diese unglückliche Dramaturgie. Schade auch, daß es trotz einiger „alter Kollegen“ im Publikum (Uli Beckerhoff und Ed Kröger hatten mit Engstfeld und Weiss in der Gruppe „Changes“ früher zusammengespielt) nicht zu einer kleinen Session am Ende des Auftritts kam. Dabei ist das doch eigentlich eine nette Sitte. Arnau
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