„So kann man den Staat auch beschäftigen“

■ Petent Ulrich Barth will Abweisung von Eingaben begründet haben / Oberverwaltungsgericht fürchtet Überlastung des Parlamentes und lehnt ab

„Der Petitionsausschuß kümmert sich um Beschwerden einzelner Bürger“, behauptet ein rosarotes Werbefaltblatt der Bürgerschaft und begründet dies auch gleich: „Weil auch die gewissenhafteste Behörde nicht unfehlbar ist“, „Weil auch das beste Gesetz Mängel aufweisen kann“ und „Weil auch die umfangreichste Verordnung einen Sonderfall nicht bedacht haben kann.“ Ein sinnvolles, praxisnahes und basisdemokratisches Bürgerrecht scheint dieses Petitionsrecht also zu sein, so glaubt man.

Meistens (zu rund 80 %) kommen Einzelfallentscheidungen vor den Petitionsausschuß. Seltener reichen Gruppen Beschwer

den oder Bitten ein. Ganz selten gehen Petenten gerichtlich gegen die Stellungnahme des Petitionsausschusses vor. „Uns sind im Laufe der Jahrzehnte nur insgesamt drei gerichtliche Entscheidungen zu Petitionsbeschlüssen bekannt geworden“, berichtet Günter Pottschmidt, Richter am Oberverwaltungsgericht Bremen. Pottschmidt hatte gestern über die Berufungsklage von Ulrich Barth gegen die Hansestadt Bremen zu entscheiden, der damit in zweiter Instanz seinen „verfassungsrechtlichen Anspruch auf eine Begründung“ zur Abweisung seiner Eingabe durchsetzen wollte. Allein: Auch das Oberverwaltungsgericht Bremen wies

nach einer mündlichen Verhandlung die Klage des streitbaren Petenten ab. Die Begründung wird in einigen Wochen schriftlich nachgeliefert. Barth kündigte sogleich an, er werde weitergehen: Vors Bundesverwaltungsgericht oder über eine Verfassungsbeschwerde.

Längst geht es Barth nicht mehr um die Eingabe selbst: Zusammen mit Gerold Janssen hatte er 1985 per Petition die damals fehlende Kosten-Nutzen-Rechnung zum Bau eines Supermarktes („Comet“) im Hollerland angemahnt, wegen „Verstoß gegen eine Bestimmung der Landeshaushaltsordnung“. Der Laden ist mittlerweile gebaut, die Ko

sten-Nutzen-Rechnung längst erstellt, wenn auch nicht veröffentlicht.

Alles, was Ulrich Barth erreichen will, ist: „die inhaltlich maßgeblichen Entscheidungsgründe für die Zurückweisung meiner Petition zu erfahren.“ Nicht, um künftig für „jede beliebige Frage einen umfassenden, plausiblen Bericht“ einzufordern und damit „den Staat zu beschäftigen“ (Richter Pottschmidt). Sondern um als abgewiesener Petent in Fragen, die über die Einzelfall -Eingabe hinausgehen, „kurz und knapp eine aus sich heraus verständliche Begründung“ in die Hand zu bekommen.

Barth verweist dabei (abseits

vom Gerichtsverfahren) auch auf die Reformbemühungen anderer Initiativen, der Bremer „Vereinigung zur Förderung des Petitionsrechtes in der Demokratie“ zum Beispiel. Auch sie will die per Landesgesetzgebung festgelegten Befugnisse des Petitionsausschusses ausdehnen und fordert u.a.: „Der Bürger muß der Antwort entnehmen können, in welchem Umfang der Petitionsausschuß eine sachliche Prüfung vorgenommen hat und welche Befugnisse hierbei genutzt worden sind.“ Für die Petitionsausschüsse des Bundestages sei es z.B. selbstverständlich, eingeholte Stellungnahmen der Begründung beizulegen.

Und während die SPD ihre im Bremen Plan verkündete Absicht, das Petitionsgesetz entsprechend seiner historischen Bedeutung „öffentlichkeitswirksam und effektiv“ zu novellieren, völlig vergessen hat, schlugen die Grünen in der jüngsten Bürgerschaftsdebatte entsprechende Reformen vor: Mehr Transparenz, regelmäßige öffentliche Sitzungen des Petitionsauschusses, Ausweitung der Bürgersprechstunden. „Eine Verknüpfung von Petitionsrecht und Bürgerbeauftragten halte ich durchaus für denkbar. Die Österreicher haben für so etwas einen 'Volksanwalt'“, meint Horst Frehe, grüner Vertreter im Petitionsausschuß.

ra