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Beruhigungspillen für Ostberliner MieterInnen

■ Finanzsenator Meisner und die Ostberliner Oberbürgermeisterin Zagrodnik wollten Angst vor Haus- und Grundeigentümern aus dem Westen nehmen / Seit dem Fall der Mauer können West-Hausbesitzer ihre Eigentumsrechte im Ostteil der Stadt geltend machen

Ein schönes Land muß es sein, in dem West-Berlins Finanzsenator Norbert Meisner wohnt: Mieten dürfen nur mit gesetzlicher Genehmigung angehoben werden, Eigenbedarf eines Hausbesitzers ist durch Gerichtsentscheidungen eingeschränkt, staatlich subventionierte Wohnungen werden nach sozialen Gesichtspunkten vergeben, und Wohngeld zur Miete gibt's obendrein. Berlin-West soll dieses Mieterparadies heißen. Gestern sollte es dafür herhalten, die Angst vor bundesrepublikanischen Miethaien in Berlin-Ost zu verscheuchen. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz wollten Finanzsenator Meisner und Ost-Berlins stellvertretende Oberbürgermeisterin Reinhild Zagrodnik über ihr zweites Treffen zum Thema Haus- und Grundbesitz von Westberlinern in Ostberlin informieren. Doch Konkretes zu berichten gab es nicht. Statt dessen gab man den Journalisten Beruhigungspillen für DDR-MieterInnen mit auf den Weg. Anlaß und Thema des Ost-West-Treffens waren durchaus beängstigend: Beinahe täglich bekomme sie Anrufe von Bürgern, die sich Sorge um ihre künftige Wohnexistenz machen, berichtete Vize-OB Zagrodnik. Denn nach der Maueröffnung ist auch der Weg frei für Westberliner und westdeutsche Hausbesitzer, die ihre Eigentumsrechte im Ostteil der Stadt geltend machen. In zahlreichen Fällen sei es vorgekommen, daß „Eigentümer vor den Türen und Toren der Mieter standen und es dort zu einigen -nennen wir es mal Diskussionen kam“. Wieviele Hausbesitzer allein im Ostberliner Raum jetzt ihren Immobilienbesitz zurückverlangen werden, ist bisher nicht bekannt. Beim Westberliner Finanzsenat seien bisher 1.500 dementsprechende Anfragen eingegangen. Wichtig sei jetzt, darin waren sich Meisner und Frau Zagrodnik einig, den DDR-MieterInnen die Ängste zu nehmen. „Noch“, so Ost-Berlins stellvertretende Bürgermeisterin, „gilt das Mietrecht der DDR. Und bei uns ist das Recht auf Wohnung ein ganz großer sozialer Aspekt. Wenn wir den noch aufgeben, dann sind wir verloren.“ Sie beruhige zur Zeit alle Mieter mit dem Satz, daß Nutzer einer Wohnung derjenige sei, der sie nutzt, und dem könne man nach 30 Jahren auch den Wohnraum nicht streitig machen. Norbert Meisner schüttete noch etwas Baldrian nach: Schließlich gebe es auch in West-Berlin einen Mieterschutz, auf den sich auch die DDR-Bürger beziehen könnten.

Daß die Ostberliner MieterInnen zwar nicht rechtlos sind, wenn ein West-Hauseigentümer seine Immobilie zurückverlangt, aber langfristig mit deftigen Mieterhöhungen zu rechnen ist, darüber fielen nur milde Worte. „Mieterhöhungen werden schon nötig sein zur Substanzerhaltung von Wohnungen“, hieß es, und daß man den Mietern keinen Gefallen damit tue, die Häuser wie bisher verrotten zu lassen. In welcher Größenordnung die DDR-Mieten steigen werden, wagte jedoch niemand zu prognostizieren.

Ve.

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