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Naive Bombenleger

■ „Die SchattenMacher“ von Roland Joffe im Wettbewerb

Die Atombombe im milden Abendlicht, ein perfektes Stimmungsbild. „Little Boy“ tauften die Amerikaner die Bombe liebevoll, die sie über Hiroshima abwarfen. „Little Baby“ wäre noch besser gewesen, denn wie einen zarten Säugling hätschelten die Forscher ihre Erungenschaft, mit der sie 200.000 Menschen auf einen Schlag töten konnten.

Über diese nüchterne Tatsache informiert uns ganz am Ende eine Schrifttafel, die über die bombige Abendstimmung rollt, gefolgt vom Abspann und eingehüllt von Ennio Morricones klebriger Filmmusik. Roland Joffe ist wie so viele Spielfilmregisseure vor ihm der Faszination der perfekten Tötungsmaschinerie auf den Leim gegangen.

Die SchattenMacher, das ist jene Gruppe genialer Wissenschaftler, die das Pentagon im Kriegsjahr 1943 in Los Alamos, einem geheimen Forschungslabor in New Mexico, zusammentrommelte, damit sie eine Wunderwaffe erfinden, die den Krieg beenden kann.

Ihr Kopf war der amerikanische Atompysiker Dr. Robert Oppenheimer (Dwight Schultz), für die Logistik bestimmte das Militär General Leslie R. Groves (Paul Newman). Die weitere Geschichte ist weltweit bekannt. Der ehrgeizige Oppenheimer fühlte sich zunächst geschmeichelt, bekam aber im Laufe des Projekts Zweifel, ob mit dem Bau einer solchen Vernichtungswaffe nicht die Grenzen der Moral überschritten würden. Schließlich war 1944 bereits abzusehen, daß Deutschland den Krieg auch ohne die Atombombe verlieren würde. General Groves und mit ihm die Hardliner des amerikanischen Militärs hatten andere Pläne. Die verhaßten Japaner, die in Pearl Harbour Gods own country beleidigt hatten, sollten dafür büßen und die Welt sehen, welche unendliche Macht die USA besitzen. Hiroshima und Nagasaki dienten zur Demonstration.

Joffes Ausstatter Gregg Fonseca hat in der mexicanischen Stadt Durango eine „bis zur letzten Schraube absolut identische Kopie“ von Los Alamos gezimmert. „Genau wie damals im Jahre 1943“, lobte einer Dr. Robert Cornog, Führungsmitglied während des geheimen Bombenprojekts, den der Filmemacher in sein Beraterteam geholt hatte, die Filmkulisse. Krebsspezialist Robert Gale, der bei seiner Hilfsaktion in Tschernobyl praktischen Anschauungsunterricht erhalten hatte, gab diesmal Joffes Schminkabteilung Tips, wie sie die Strahlenverletzungen am naturgetreusten nachbilden können. So ist die Oberfläche der SchattenMacher täuschend echt geraten, der Inhalt jedoch so austauschbar wie eine Pfandflasche.

Die Amerikaner haben es schon immer gut verstanden, ihre politischen Gemeinheiten so glänzend zu inszenieren, daß nachher ein jeder stolz darauf ist. Joffes Wissenschaftlercrew besteht aus hübschen boys (besonders Oppenheimer-Darsteller Schultz hat mir rein optisch gut gefallen), ihre Persönlichkeit, ihre Zweifel und Widerstände wirken wenig überzeugend. Einzig Paul Newman als rauhbeiniger Vollblut-General mit skrupelosem militärischen Ergeiz ist gut getroffen. Will man wirklich etwas über den Fall Oppenheimer wissen, liest man besser Heiner Kipphardt. Und was die Atomversuche in der Wüste Nevadas angeht, der Filmemacher Paul Jakobs hat darüber einen Dokumentarfilm gedreht, dessen Ende er - völlig verstrahlt nicht mehr erlebte. Roland Joffe hat die Wahrheit über Los Alamos an Hollywoods Traumfabrik verfüttert.

Ute Thon

Die SchattenMacher von Roland Joffe, USa 1988, Mit: Paul Newman, Bonnie Bedelia und Dwight Schultz. 127 Minuten.

18.30 Uhr Urania

22.30 Uhr Kosmos-Kino

Der Film startet am 22.2. in den Kinos

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