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Tumulte im Unterhaus

■ Thatcher will Sanktionen gegen Südafrika sofort aufheben / Kollektiver Wutausbruch auf den Labour-Rängen

London (taz) - Das britische Unterhaus erlebte am Dienstag die turbulenteste Sitzung seiner Geschichte. Premierministerin Margaret Thatcher beharrte während der Fragestunde darauf, die freiwilligen Sanktionen gegen Südafrika sofort aufzuheben. Ihre Behauptung, Nelson Mandela sei nur deshalb freigekommen, weil sie umfassende Sanktionen verhindert habe, führte zu einem kollektiven Wutausbruch auf den Labour-Rängen.

Oppositionsführer Neil Kinnock sagte, Thatchers Verhalten sei arrogant und absurd, sie falle Mandela in den Rücken. Thatcher konterte: „Sie erhalten Ihre Instruktionen möglicherweise vom ANC.“

Die Labour Party verlangte von Unterhauspräsident Bernard Weatherill daraufhin, Thatcher zur Rücknahme dieser Behauptung zu zwingen. Weatherill sagte jedoch lahm: „Wenn eine unparlamentarische Bemerkung gefallen ist, bin ich sicher, daß die Premierministerin sie gerne zurücknehmen würde.“

Das tat sie schließlich auch, jedoch nur um sogleich zu behaupten, die Labour Party trete für den bewaffneten Kampf ein. Als Gerald Kaufman, Außenminister des Labour -Schattenkabinetts, sagte, daß Thatcher statt Mandela für 27 Jahre ins Gefängnis gehört hätte, drohte die Fragestunde in eine Keilerei auszuarten: minutenalng tobten die Tories auf ihren Plätzen.

Thatcher hatte außerdem behauptet, daß der Präsident des EG -Ministerrats, der irische Regierungschef Charles Haughey, in der Frage der Sanktionspolitik hinter ihr stehe. Sie „zitierte“ aus einem Brief Haugheys, die Außenminister der Zwölf „sollten auf ihrer Sitzung am nächsten Dienstag in Dublin die Sanktionspolitik überprüfen“. Er habe lediglich geschrieben, die Außenminister hätten am Dienstag die Gelegenheit des Meinungsaustauschs über Entwicklungen in Südafrika, konterte Haughey am Dienstag abend vor dem irischen Parlament. Selbstverständlich sei er gegen die jetzige Aufhebung der Sanktionen.

Ralf Sotscheck

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