: Kloster auf Zeit
■ Statt in ferne Länder mit exotischen Religionen zu reisen, bevorzugen mehr und mehr Menschen die zeitweise Stille in einem christlichen Kloster. Aber viele Klöster wollen den Lärm der Zivilisation und die Versuchungen des New Age nicht über ihre Mauern lassen. Zu Recht, denn wo bliebe sonst die Stille?
Von
KLAUS WOLSCHNER
itte erwähnen Sie den Namen unseres Klosters nicht“, bittet der Prior. Jede Erwähnung des Namens würde als Reklame mißverstanden - „Wir müssen so vielen Menschen absagen, die das hier als 'Kloster auf Zeit‘ mißverstehen.“
Während östlich oder auch „indianisch“ orientierte Angebote für einen kurzen Ausstieg aus technisch-zivilisiertem Leben und eine Reise ins „New Age“ seit Jahren einen Boom erleben, tun sich die christlichen Stätten der Ruhe und Einkehr schwer mit dem neuen Bedürfnis. „Sich selbst finden in der Stille“ - wenn dies das Ziel sein soll, dann darf man daraus keine Massenveranstaltung machen. Für die christlichen Klöster ist die Stille und die meditative Einkehr ein „Lebensmodell“, selten nur und weniger gern ein Entspannungsangebot für gestreßte Manager.
Die Abteikirche Maria Laach ist ein Benediktinerkloster, das sich für eine begrenzte Zahl von (männlichen) Gästen öffnet. Inmitten eines Waldes am „Laacher See“ ist das Kloster schon von der Lage her ein Ort reiner Stille Vergleichbares findet man sonst vor allem in Süddeutschland. Den Versuch örtlicher CDU-Politik, hier, im Zusammenhang mit dem Basaltabbau, Schluß zu machen mit der Stille, konnten die Mönche abwehren. Sieben Kilometer weit führt ein Spazierweg um den See, in der Woche trifft der Klostergast beim Spaziergang hier auf keine Menschenseele. Aber er trifft auf Tiere, die in unserer verstädterten Zivilisation eigentlich gar nicht vorkommen. Da taucht plötzlich ein Schwarzspecht auf, es gibt - außerhalb der Speisekarten der Restaurants - Wild, Rufe des Uhu sind zu hören.
Die Gäste werden in spartanischen Einzelzimmern einquartiert, bezahlt wird nach Selbsteinschätzung. „Das ist ein Ort, der in Widerspruch zu meinem Alltag steht“, erklärt der Bremer grüne Landtagsabgeordnete Martin Thomas. Die Tage im Kloster sind die Zeit, die die meiste Faszination auf ihn ausübt. Jedes Jahr ein- oder zweimal verzieht er sich in die Stille der Mauern. „Dort gibt es keine Ablenkung, keine Information.“ Das Klosterleben ist streng bezüglich seiner Ordnung, der sich jeder Gast auch unterordnen muß. Auch in ganz banalen Dingen. Zum Beispiel beginnt das Essen pünktlich; nicht zu spät, aber auch nicht zu früh stellen sich die Mönche an, bis die Tür zum Saal sich öffnet. Gesprochen wird nicht, die Gedanken werden gelenkt: Zum Essen wird vorgelesen, aus päpstlichen Schriften, aber auch aus Zeitungsartikeln über religiöse und andere Themen. „Manchmal auch reaktionäre Dinge“, findet Martin Thomas, aber die frommen Leute und auch die Gäste haben zu schweigen. Die Mönche schlingen die Speise in sich hinein, auch das Essen Notdurft, nicht Genuß. Wenn der Abt klopft, ist die Mahlzeit beendet.
ie 80 Mönche sind auch sonst gehalten, nicht mehr als nötig zu sprechen oder Kontakte zu pflegen. In das Innere des Klosters, ins Refektorium, hat keine Frau Zutritt, wie umgekehrt Männer sich nicht in Frauenklöstern blicken lassen dürfen. Das Interesse, die Gäste in Gespräche zu ziehen, ist verständlicherweise gering. Man geht eher im Schatten der Säulen und schweigend aneinander vorbei, wenn man sich durch die Gänge bewegt.
Diese Ruhe ist nicht nur ein intellektueller und seelischer Bruch zu unserer Kommunikationsgesellschaft, sie wird schnell zur körperlichen Erfahrung. „Du schläfst viel besser im Kloster. Vor allem das körperliche Wohlbefinden ändert sich“, sagt der Politiker Martin Thomas. Und in der Isolierung von allen gesellschaftlichen Bezügen, die einen Menschen in seinem Alltag einspannen, steigen „Sinnfragen“ auf, Weichenstellungen im Leben finden Platz im Kopf. „Das ist ein Ort, den ich brauche.“ Da hat der Grüne auch schon mal beim Frühstück beim Gästepater Athanasius einen Bayer -Leverkusen-Manager vorgefunden. Zum Beispiel ist der Frankfurter Oberbürgermeister Volker Hauff ab und an zu Gast in Maria Laach.
Es sind in ihrer großen Mehrzahl die „Manager“ der Industriezivilisation, die auf einen Sprung Ausgleich in den Klöstern suchen - und nicht gern darüber reden. Denn die Nähe zum Meditativen ist nach wie vor tabu. So tabu, daß mancher sich auch nicht recht hinzugehen traut. Der Marialaacher Gästepater Athanasius hat in Bremen zusammen mit dem heutigen Landtagspräsidenten, dem Präsidenten der Bremer Bürgerschaft, Dieter Klink (SPD), die Schulbank gedrückt. Aber der ist noch nie zu Gast im Kloster gewesen. „Das ist doch das Schlimme“, sagt der Martin Thomas, und für ihn ist die Scheu, sich der Prüfung des Alleinseins auszusetzen, ein Zeichen verlorener Identität. Das Kloster auf Zeit stellt provozierende Fragen, mit denen jeder alleingelassen ist. Kann ich etwas mit mir selbst anfangen? Viele haben vor dieser Situation Angst, einige der Gäste des Klosters brechen schon nach wenigen Stunden die Reise zu sich selbst ab.
aria Laach ist mit seiner Offenheit gegenüber Gästen eine Ausnahme unter den christlichen Klöstern. Die christlichen Stätten der Ruhe haben nicht nur Angst vor dem Lärm der Zivilisation, sondern auch vor anderen Religiositäten. Nur wenige sehen die wechselseitigen Einflüsse als Chance, wie der Benediktinerpater Laurentius vom Kloster Gerleve: „Der östlichen Meditation verdanken wir sehr viel. Sie hat uns wieder zu unseren eigenen Quellen und zu unserer eigenen Identität verholfen. Die Tradition des Klosterlebens sieht die Meditation vor, das ist mönchisches Urgestein. Leider ist es so gewesen, daß man die meditativen Angebote des christlichen Glaubens und des Gebetslebens nicht genutzt hat. Auch daß man sie verdreht hat. Etwa: Das, was eigentlich das Rosenkranzgebet gemeint hat, ist Meditation. Da vergleicht man seine eigene Lebensgeschichte, stellt die Heilsgeschichte daneben, die betrachtet wird. Das Ganze ist für viele Leute degeneriert zu einem Herunterleiern und Runterrasseln, mit dem man nichts mehr anfangen kann und das man irgendwann auch einstellt. Ich habe das so ähnlich empfunden und bin auf einem ganz anderen Wege zu solchen Wiederholungsgebeten zurückgekommen, als ein - man kann ruhig dieses Wort benutzen, das ist inzwischen auch nicht mehr so anrüchig - als ein Mantra. Was ist ein Mantra? 'Amen‘, 'Halleluja‘, Gebete, wie es die alten Mönche gemacht haben, im Rhythmus des Atems auszusprechen oder nur noch zu denken. Das gehört mit zum Schatz auch des christlichen Betens und christlicher Meditation.“
Einige der Gottesstätten haben sich einen kleinen Türspalt weit geöffnet für das Bedürfnis nach dem „Kloster auf Zeit“. Da gibt es dann Angebote von Meditations-Wochenenden ein oder zweimal im Jahr oder „Tagen der Besinnung“ für solche Menschen. Wenig willkommen sind dagegen Leute, die zugeben, auch „aus Gründen der leiblichen Erholung“ zu kommen. „Ernsthaftes Interesse“ wird verlangt. Aber die meisten Klöster legen Wert darauf, daß die Mauern zwischen dem Innen und der Welt draußen undurchdringbar bleiben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen