: „Daß man lächeln muß, wissen wir alleine“
Wahlkampfmanager aus der BRD und den USA wollten Tips an die „Habenichtse“ aus der DDR verhökern / Aber die behielten ihren eigenen Kopf / Bundeszentrale für politische Bildung hatte außer PDS alle eingeladen / SPD-Wahl-Manager empfiehlt Werbung mit DDR-Identität ■ Aus Berlin Petra Bornhöft
Wie führt man einen Wahlkampf aus dem Nichts?“ lautete die zentrale Frage einer Konferenz der Bundeszentrale für politische Bildung am Wochenende, veranstaltet für die „Habenichtse“ aus der DDR. Deren „Arsenal“, so das Programm, sollten prominente Wahlkampfmanager aus den USA und der Bundesrepublik auffüllen. Eingeladen waren - außer der PDS sämtliche DDR-Gruppierungen und Parteien von der LDPD bis zu den Grünen. Doch über weite Strecken mißlang das Unternehmen. Verwirrt nahmen westliche Forscher und Politstrategen zur Kenntnis, daß die Newcomer Grundsätze der Politik beherrschen, aber den manipulativen Waschmittel -Wahlkrampf strikt ablehnen.
So kommentierte ein Vertreter der Bürgerbewegung Demokratie Jetzt das Referat von James Dwinell, „Campaigner“ der Demokratischen Partei in den USA, mit den Worten: „Ich komm mir vor wie bei einem Vortrag über Kaninchen. Der Professor erklärt, wie ich am besten das Kaninchen in die Ecke mit der leuchtenden Lampe kriege.“ Dwinell hatte aus dem Nähkästchen der Präsidentschaftskampagnen geplaudert, über Umfragen, klare Strategien und täglich sechs Millionen Anrufe bei Wählern. Besonders wichtig für den Kandidaten sei es, im Fernsehen leicht vornübergebeugt und lächelnd zu sitzen. Bemüht, die Situation der ZuhörerInnen einzubeziehen, hieß Dwinells Rat: „Jesus war ein guter Politiker, er sprach die Armen an. Er hatte kein Geld, aber ein gute, knappe Botschaft. Die wirkte.“ Genie Specht, Wahlkämpferin für Jesse Jackson und Carter bot eine Vielzahl praktischer - für jede Oppositionsgruppe wohl kaum sehr origineller Techniken an, vom Zettel- Aufhängen in Geschäften bis zum Flugblattverteilen an Straßenkreuzungen. Wulf Schönbohm, kürzlich gefeuerter Planungschef aus der Bonner CDU-Zentrale empfahl, „jetzt nicht zu problematisieren und innerparteilich zu diskutieren, sondern geschlossen aufzutreten. Die wollen wissen, wat macht Ihr?“. Drei bis vier Kernaussagen, ein Spitzenkandidat und die „Antwort auf die Gegnerfrage“ müßten her. „Ich werde eher gewählt, wenn ich nicht dauernd betone, wie dufte ich bin, sondern wie schlimm der andere ist.“ Aber der Gegner könne ja wohl nicht die Bundesregierung sein, von der man gleichzeitig Hilfe erwarte.
„Sowas kommt von sowas“, witzelte DDR-Minister Wolfgang Ullmann (DJ). Heftig kritisierten der Minister und andere die „Destablisierung der DDR durch Bundesregierung“ - und die Negativberichterstattung insbesondere des ZDF. Der selbstbewußte Ullmann war es denn auch, der als einziger nicht emsig mitschrieb, sondern den Kontrapunkt setzte. Warum sollten sich die Parteien und Gruppen, die jahrelang in der Opposition gemeinsam Politik gemacht hätten, sich jetzt aufeinanderhetzen lassen? Daß man eine Botschaft und Wahlkampfhelfer bräuchte sowie im Fernsehen lächeln müßte, „wissen wir, glauben Sie mir“.
Als einzig sensibler und kundiger DDR-Beobachter präsentierte sich Bodo Hombach, SPD-Landesgeschäftsführer und Wahlkampfmanager aus NRW. Er zog Konsequenzen aus dem „Stimmungsumschwung im Lande. Neuerdings weckt das westliche Outfit eher Skepsis. Sie müssen auf die Suche nach Identität und Selbstbewußtsein eine Antwort finden“. In diesem Sinne empfahl er, mit „volkseigenen Produkten zu werben“ und „mit dem Pfund zu wuchern, was man hat. Seien es Personen oder Themen oder beides“. Nahezu ungeteilter Beifall.
Das aufkommende „Wir-Gefühl“ in der DDR umzusetzen in die politische Wirklichkeit über den 18. März hinaus, war vielen ein Anliegen. Den „Bund deutscher Länder“ gleichberechtigt und gemeinsam zu gestalten, hielt Ullmann für eine der wichtigsten Aufgaben. In einem profunden Referat über eine neue Politikkultur in Deutschland wandte sich der Wissenschaftler dagegen, das Rechtssystem der Bundesrepublik zu übernehmen. Schließlich habe die DDR ganz besondere Demokratieformen entwickelt: „Unsere Erfahrungen der Selbstorganisation und Volkssouveränität dürfen in der Verfassung nicht wieder vergessen werden.“ Jovial versprach FDP-Professor Gralher aus Bochum, man könne „den Bürgerwillen in die neue Verfassung des Parteienstaates aufnehmen“. Sein politisches Ost-Pendant hingegen sah den Anspruch der Selbstorganisation automatisch in einer Marktwirtschaft gegeben: „Da bilden sich doch jede Menge Betriebe“. So hatte Ullmann es wohl nicht gemeint. Aber der spannende Diskurs jenseits des Imports von westlichen Wahlkampftechnologien war beendet.
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