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Martin Luther King / Malcom X

Nicht einmal 30 Jahre ist es her, daß die US -Bürgerrechtsbewegung unter der Führung Martin Luther Kings ihre großen Protestmärsche durch die rassistischen Südstaaten und entlang der Mall Washingtons organisierte. Trotz aller moralischen „Feldzüge“ für Integration und rechtliche Gleichstellung spitzte sich die Konfrontation zwischen Schwarz und Weiß weiter zu: 1964 brannten die schwarzen Ghettos. Für den damaligen radikalen Opponnenten Kings, Malcolm X, kein Wunder: „Wer hat denn schon mal von einer Revolution gehört, bei der 'We Shall Overcome‘ gesungen wird? So macht man doch keine Revolution!“

Sicherlich, seither hat sich einiges geändert. Es gibt Hunderte schwarzer Bürgermeister, eine - wenn auch dünne schwarze Mittelschicht, deren Idol King heute ist. Und da ist schließlich auch noch Jesse Jackson, der neue Hoffnungsträger, dem es gelang, bis ins Zentrum des weißen politischen Establishments vorzustoßen. Doch in der amerikanischen Gesellschaft ist das Leben jedes einzelnen nach wie vor durch die ethnische Zugehörigkeit determiniert: the great divide. Noch immer sehen die Ghettos aus wie früher, ist die schwarze Stadtbevölkerung im Kreislauf von Armut, Gewalt, Drogen und Kriminalität gefangen. Besonders unter den Jugendlichen wächst der Unmut, der sich am pointiertesten in der Rap-Musik von Gruppen wie „Public Enemy“ ausdrückt: Malcolm X wurde wiederentdeckt. Dazu hat sicherlich auch Spike Lee mit seinem Film „Do The Right Thing“ beigetragen.

Auch der neue Führer der separatistischen „Nation of Islam“, Louis Farrakhan, bezieht sich in seinen Reden immer wieder auf Malcolm X. „Er war mein Mentor.“ Farrakhan fordert die Trennung von Schwarz und Weiß, eine „unabhängige schwarze Nation“ und spricht davon, die Schwarzen seien „das auserwählte Volk“ der Erde. Wegen solcher Äußerungen wird er gehaßt und öffentlich als Rassist attackiert. Die Empörung der weißen Presse läßt die Schar seiner schwarzen AnhängerInnen jedoch wachsen.

Am Ende ihres Lebens hatten sich der Baptisten-Prediger Martin Luther King und der Moslem Malcolm X einander weiter angenähert, als viele heute wahrhaben wollen. X kam nach seinen Erfahrungen in Mekka, wo er überwältigt war von der Bedeutungslosigkeit der Hautfarbe in der islamischen Religion, noch im Januar 1965 nach Selma/ Alabama, um King zu unterstützen. Und King meinte 1966, frustriert von der Arroganz und Ignoranz der Weißen: „Wir müssen das politische und ökonomische System radikal ändern. Die ganze amerikanische Gesellschaft muß sich von Kopf bis Fuß wandeln.“ Was wäre, wenn sie beide überlebt hätten?

Andrea Seibel

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