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Hamburger Rundschau am Ende?

■ Auflagenverlust bei Linksliberaler Wochenzeitung / Streit um Chefredakteur

In Hamburgs neun Jahre jungem Wochenblatt Hamburger Rundschau (HR) jagt derzeit eine Krisensitzung die andere. Die Liquidität reicht nur noch für ein paar Wochen. Eine Unternehmensberatungsfirma hat ein „Therapiekonzept“ vorgelegt. Eine „Wirtschaftsgruppe“ und eine „Inhaltsgruppe“ basteln an Sparkonzepten und inhaltlichen Kurskorrekturen. Die Lage ist dramatisch. Seit Anfang 1988 purzelte die Auflage von 15.000 auf knapp 10.000 Exemplare. Seit Herbst verließen 15 von 25 MitarbeiterInnen das Blatt.

Am 15. Februar hatte eine Eigenanzeige der HR aufhorchen lassen. Da hieß es: „Die HR hat es nicht leicht. Wenn es in Hamburg weiterhin eine links-liberale eine schräge, kurz: eine andere Zeitung geben soll, dann können wir

Sie gut gebrauchen.“ Und: „Sie sollten ein Förder-Abo zeichnen, stiller Gesellschafter werden oder einfach Geld spenden.“

Bernd C. Hesslein, Mitbegründer der HR und aktiver Mitgesellschafter, hatte der Redaktion empfohlen, den LeserInnen die Situation noch ungeschminkter zu schildern. Hessleien zur taz: „Wenn wir nicht Geld kriegen, müssen wir einstellen.“ Die LeserInnen müßten jetzt entscheiden, ob sie die HR weiterhin wollen: „Es ist 3 vor 12.“ In etwa drei Wochen würden sich Belegschaft und Gesellschafterversammlung mit den Konzeptgruppen zusammensetzen: „Gibt es keine Einigkeit, wird die Hamburger Rundschau eingestellt.“

Hoffnung richtet sich darauf, mit einer abgemagerten Rundschau zu überleben. Die vor ei

nem Jahr neu installierte Satztechnik erlaubt durchaus, die Produktion einer Billig-HR. Entlassen werden müßte niemand, da viele Stellen bereits unbesetzt sind.

Die aktuelle Krise begann im Herbst 1988: Damals sollte ein neues Konzept den großen Sprung nach vorne bringen. Zwar war schon damals die Redaktion durch interne Streitigkeiten ziemlich paralysiert, finanziell aber ging es gut. Die Anzeigenabteilung, stärkste Säule der HR, sorgte für steigende Umsätze, die Auflage lag bei knapp 15.000. Mit dem ehemaligen Konkret-Redakteur Bernhard Schneidewind sollte der Sprung vom alten hemdsärmeligen, nach Gewerkschafter -Schweiß duftenden Politwochenblatt zur zeitgeistigen Hintergrund-Postille gelingen. Das

Unternehmen ging gründlich daneben. Viele Mitarbeiter kamen mit dem neuen Chef nicht aus. Der Spagat zwischen dem Anspruch auf Selbstverwaltung und der Sehnsucht nach einer Person die sagt, „wo es langgeht“ habe das Projekt gelähmt, ist die Einschätzung einiger. Als engagierte politische Wochenzeitung, die weniger schöngeistig als boulevardmäßig den Kioskkäufer anmacht, hätte, so die übereinstimmende Einschätzung vieler Ehemaliger, die HR durchaus eine stabile Marktnische besetzen können. Doch mit einem Chefredakteur, der mit dem Spruch „Es sind schlechte Zeiten für gute Zeitungen“ den Auflagenschwund noch als Qualitätszeichen verkauft habe, sei das nicht zu machen gewesen.

Florian Marten /taz-hh

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