: Stahlhelm für den Drückeberger
Aus dem Geburtstagsbrief des Büros für ungewöhnliche Maßnahmen an den Regierenden Walter Momper über den Fall des Totalverweigerers Gerhard Scherer ■ D O K U M E N T A T I O N
Zum 45. Geburtstag erhielt Walter Momper, der „König von Berlin“ von der AL eine silberne Krone und vom „Büro für ungewöhnliche Maßnahmen“ einen mit Wasser gefüllten Universal-Bundeswehrhelm. Wir zitieren aus dem Geburtstagsbrief:
„Wir möchten die heutige Gelegenheit nutzen und beglückwünschen Sie zu ihrer frühen, reifen Leistung, von der wir erst jetzt erfahren haben: Kraft Ihrer Jugend sind Sie seinerzeit den Krallen des Militarismus erfolgreich ausgewichen, indem Sie sich schwungvoll der Fortführung Ihres Studiums im Schutz der bundeswehrfreien Zone Westberlin zuwandten... Nicht jeder konnte aber so wendig sein, wie Sie Herr Momper... So frönten derweil andere, die mit ihrer pazifistischen Gesinnung in Westdeutschland geblieben waren, dem sogenannten zivilen Ersatzdienst. Mit der Zeit fiel allerdings zunehmend mehr jungen Verweigerern auf, daß der sogenannte Zivildienst eigentlich ein unter militärischen Verwendungszweck gestellter Kriegsdienst ohne Waffe ist. Darüber hinaus dienen die ZDLer als Lohndrücker und vergrößern als Arbeitsplatz-Killer das Heer der Arbeitslosen- eine wahrhaft 'zivile‘ Funktion. Diese zweifelhafte Rolle bringt viele in arge Bedrängnis. Zu ihnen gehört unser Freund Scherer, der sich leider zu spät auf das rettende entmilitarisierte Eiland West-Berlin flüchten konnte. Mit Befremden haben wir vernommen, daß Sie jetzt Gerhard Scherer, dessen Beweggründe den Ihren doch sehr nahe kommen, in den bundesrepublikanischen Knast abschieben wollen... Frei nach dem Motto: Wer zu spät kommt, den bestraft... Herr Momper! ... Frieden braucht Initiative und Zivilcourage.... Wir halten Sie für fähig genug, diese Fehler zu korrigieren und wünschen Ihnen wie uns, daß Sie sich nicht die Hände mit militaristischen Handlagerarbeiten schmutzig machen mögen... Womit Sie dann auch auf den Gebrauch unserer etwas unzeitgemäßen Waschvorrichtung verzichten können.„
LR
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen