: Was kostet die DDR?
Ein Plädoyer für Eigentumsbildung in der DDR ■ G A S T K O M M E N T A R
Der Bär ist erledigt, laßt uns das Fell verteilen! Mit diesem Schlachtruf stürzen sich gegenwärtig westliche Geschäftsleute aller Branchen auf den Markt der DDR. Unsere Gesellschaft verharrt in der Rolle des hypnotisierten Kaninchens, denn man hat uns zwingend und glaubhaft erklärt, daß unsere Wirtschaft, weil nicht auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig, ein einziger Schrotthaufen ist. Als Ausweg bleibt also nur die Wunderdroge DM und die deutsche Vereinigung am 19.März 1990! Aber, sollten wir uns das Fell des Bären nicht noch einmal genauer ansehen, bevor wir es verramschen?
Was enthält die Konkursmasse nach 40 Jahren sozialistischer Planwirtschaft? Die gesamte Volkswirtschaft repräsentiert ein Anlagevermögen von 1.300 Milliarden Mark! Der Nennwert ist aus einer Konkursmasse nie herauszuholen, viele Grundmittel sind unter den neuen internationalen Maßstäben nicht verwendbar, jedoch der verbleibende wesentliche Anteil weckt die Begierden internationaler Finanzkreise. Unsere leider weiter verfallenden Städte und Dörfer sind glücklicherweise größtenteils noch keine Ruinen, nach den immer noch geltenden DDR-Gesetzen total unterbewertet. So ergeben sich nach gültigen Baupreisen von 1914 (!) und Grundstückspreisen - vierzig Pfennig pro Quadratmeter lächerlich geringe Schätzpreise; wonach ein alter Bauernhof soviel kostet wie ein Farbfernseher (6.000 Mark). Werden die internationalen Preisrelationen zugrunde gelegt, ergibt sich eine Wertexplosion aller Immobilien. In der DDR existieren Anlagewerte für mindestens 2.000 Milliarden DM. Dies gehört, einmal privaten, genossenschaftlichen oder kirchlichen Besitz ausgenommen, überwiegend dem Staat, ist „Volkseigentum“.
Wie gering nehmen sich dagegen die Sparguthaben der DDR -Bevölkerung in Höhe von 150 Milliarden Mark aus. Wir konnten uns bisher nur dafür nicht die entsprechenden Immobilien oder Betriebsanteile kaufen.
Durch die niedrigen Konsumgüterpreise im Westen entstand die Unterbewertung der Ostmark, die nach dem 9.11. dramatische Kurse erreichte, seitdem jedoch stetig steigt. Eine Zwei-Zimmer-Wohnung würde hierzulande als Eigentumswohnung nach DDR-Baukosten ca. 40.000,- Mark kosten, jedoch nach der Währungsunion oder der Einheit sofort einen Verkehrswert von etwa 100.000,- DM haben. Noch größer sind die Unterschiede bei Grund und Boden, Geschäftshäusern, Betrieben usw. Daher ist es nicht verwunderlich, daß Milliarden von DM auf dem Sprung sind, um ihr „Schnäppchen“ zu machen. Ein Geschäftsmann aus dem Ruhrgebiet fragte mich kürzlich in Warnemünde nach einem freien Hotel. Daß ich wenig Hoffnung auf freie Zimmer hatte, fand er sogar gut, denn er wolle nicht drin wohnen, sondern das Hotel kaufen!
Wir sollten also unser eigenes „Fell“ unter uns, unter denen, die es geschaffen haben, aufteilen, aus dem Volkseigentum wirklich Eigentum aller machen, damit wir in den kommenden rauhen Zeiten etwas zum Wärmen haben.
Reinhard Knisch
Der Autor ist Ingenieur in Rostock. Er kandidiert in einem Kombinat (9.000 Mitarbeiter) als Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL), ist Mitglied des Neuen Forums.
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