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Die Anderen: Neues Deutschland: Gorbatschow und die deutsche Einheit / The Times: Wahlen in der DDR

Neues Deutschland

Gorbatschow und die deutsche Einheit:

In seiner Freude darüber, daß Moskau das „Recht der Deutschen auf Einheit“ anerkannt habe, von der Sowjetunion im übrigen nie in Zweifel gezogen, hat Kanzler Kohl offenbar überhört, daß Gorbatschow zugleich die Konditionen genannt hat. Aber weil die einseitige Interpretation seiner Äußerungen den Übereifer jener Kräfte anstachelte, die Einheit sofort und im deutsch-deutschen Alleingang anstreben, war ein deutliches Wort angebracht.

Es könne nicht angehen, ließ Gorbatschow nun (...) wissen, daß sich die Deutschen unter sich einigen und alle übrigen dem Beschlossenen lediglich zuzustimmen hätten. (...)

Ein gutes Zeichen guten Willens zur Solidität ist sicher, daß der Gedanke der Gespräche „4 plus 2“ in den Hauptstädten der vier Siegermächte gleichzeitig und unabhängig voneinander aufkam. Denn aus ihrer Verantwortung in bezug auf Deutschland sind sie nicht entlassen. Verbunden mit dem gesamteuropäischen Prozeß und unter besonderer Berücksichtigung der Interessen weiterer Länder, namentlich Polens, wird es hier um die allseitige und etappenweise Erörterung aller äußeren Aspekte der deutschen Vereinigung gehen. Niemand sollte sich verwundern, wenn Moskau für all das etwas mehr Zeit veranschlagt, als mancher deutscher Politiker im Wahlkampf zu haben glaubt. Dies gebietet nicht zuletzt auch die lebendige Erinnerung der Sowjetvölker an jenen verheerenden Krieg, der von Deutschland ausging.

The Times

Wahlen in der DDR:

Eine Wahlschlappe, wenn nicht sogar die Vernichtung steht den beiden Parteien bevor, die die DDR-Politik seit dem Abgang von Erich Honecker dominiert haben: der Partei der gesäuberten und umbenannten Kommunisten oder Partei des Demokratischen Sozialismus und dem Neuen Forum. Beide haben keinen mächtigen Paten in Bonn. (...)

Dadurch, daß Modrow den Wahltermin vorverlegt hat, hat er es wahrscheinlicher gemacht, daß die Wähler, in den Feinheiten demokatischer Politik noch nicht geschult, sich in den vertrauten Hafen der Sozialdemokraten führen lassen werden. Als Kohl Modrow in Bonn kürzlich mitteilte, größere Finanzhilfen für die DDR-Wirtschaft müßten bis nach den Wahlen warten, hat er den DDR-Ministerpräsidenten nicht wie ein boshafter Kommentator schrieb - so demütigend behandelt wie Hitler den österreichischen Kanzler Schuschnigg am Vorabend des Anschlusses. Kohl steckt im Wahlkampf und hat keine Verpflichtung, seinen Gegnern gegenüber großzügig zu sein.

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