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DURCH DIE BLUME

■ Treptower Künster zu Gast im Schloß Britz

Die Botschaften fallen diesmal etwas ratlos aus. „Demokratie?“ fragt Michael Bock im Titel seines Bildes (entstanden 1989/90) und zeigt in drastischem Realismus eine nackte Frau, die zwischen stacheldrahtbewehrten Mauern eingeklemmt eine umgedrehte Sonnenblume schwenkt. Das schreit nach Deutung. Die Nacktheit der Frau, im bildhauerischen DDR-Programm zum Beispiel noch immer zeitlos gültiges Signal für Vitalität, Schönheit, Stärke, Spiel, weist sie zwischen den harten Mauern als schutzlos aus. Die Sonnenblume als Zeichen des kreatürlichen Lebens und des sich der Sonne der Aufklärung Zuwendenden ist sicher nicht in dem dunklen Graben zwischen den Mauern gewachsen, sondern Import; die Frau müht sich mit dem dicken grünen Stengel ratlos ab. „Demokratie?“ bleibt ein verschwommener und fremder Begriff, ausstaffiert mit alten Requisiten.

„Der Philosoph“ (1984), von Reinhard Hevicke glatt gepinselt, schwebt lachend über einem Kaktus vor schwarzrotgoldnem Hintergrund. Bei jeder Landung aus den Höhenflügen über deutschem Geist wird er sich am stacheligen Gewächs den Arsch aufreißen. Doppelköpfig aus zwei Totenschädeln blickend, spinnenbeinig und mit Stachelleib stellt sich Dietrich Kaufmanns apokalyptisch gefräßiges „Zersetzungsmonstrum“ (1985/89) ein.

Mit großen Idealen und den Erfahrungen des Mangels schlagen sich diese drei Maler aus Treptow herum. Man bekommt das Gruseln angesichts dieser Bestätigung von Vorurteilen über den ungeminderten Botschaftsdrang der Malerei der DDR und schämt sich der Häme. Jene Versuche einer einfachen, sozusagen der Einsicht des fiktionalen Arbeiterbetrachters zugänglichen, Visualisierung gedanklicher Konflikte treiben absurde Blüten. Doch es wäre eine dürftige Reaktion, über solche von verkrampfter Pädagogik geprägten Bilder eines nun endlich, endlich im Westen ausstellenden DDR-Künstlers aus Rücksicht auf sein langes Nichtdürfen einfach wohlmeinendes Schweigen zu bewahren und bloß zu feiern, daß er nun hier ist.

Die Treptower Bezirksauswahl von 16 professionellen Künstlern war ursprünglich für eine repräsentative Ausstellung in Prag zusammengestellt worden. Dank der neuen Kontaktfreudigkeit zwischen den Nachbarn Neukölln und Treptow, dem Wegfall der mühsamen institutionellen Wege der Ausstellungsvermittlung und einer Lücke im Britzer Programm bot sich die Möglichkeit, die Bilder auch im Schloß Britz zu zeigen. Das Schloß will sich als Begegnungsstätte etablieren; Gespräche zwischen Neuköllner und Treptower Künstlern, die leibhaftig an den Wochenenden auch auf andere neugierige und kontaktfreudige Besucher warten, sind geplant.

Ein Teil der wiederentdeckten Nachbarn paßt sich bescheiden ins heimelig rekonstruierte Ambiente des historischen Herrenhauses am Dorfteich ein. Die roten Punkte neben bestimmten Gemälden weisen auf Magistratsbesitz hin; die Bilder sind im Auftrag des Stadtbezirks Treptow geschaffen worden. Vorstadtlandschaften und Gartenrestaurants (Brigitte Handschick, Barbara Müller), Studien in Kohle von Wurzeln und Bäumen (Gabriele Cobet), aquarellierte „Fontanelandschaften“ (Barbara Müller, Gerhard Lahr, Rolf Klein), winterliche Pastelle (Manfred Hahn): diese Bilder zum Motivkreis „die Schönheit meiner Heimat“ rechnet der Ostberliner Kunsthistoriker Joachim Scheel der Berliner Schultradition zu. Anders als die von Identitätskonflikten, imperialistischen Kriegen andernorts und Geschichtsneurosen gebeutelten Leipziger scheinen die Berliner Maler noch vom Glauben an das Gute, Wahre und Schöne beseelt. Und findet man sich selbst nicht mehr im Großplatten-Wohnblock wieder, dann vielleicht doch im Spreebruch. In die nahgesehene und vertraute Landschaft läßt sich kuscheln wie in keine Ecke der bröckelnden Stadt. Umwelterfahrung kommt nur in wie auch immer idealisierter oder abstrahierender Form auf die Leinwand.

Von einer anderen Präsenz der Dinglichkeit zeugen zwei großformatige Kreidezeichnungen Michael Bocks, Protokolle einer Reise in die Sowjetunion. Auf gespannte Latex-tücher gezeichnet, schweben sie zwischen der Flüchtigkeit einer Skizze und der Endgültigkeit eines Bildes. Als Betrachterin steht man in einem riesigen Einschnitt in eine Landschaft, in dem Pipelines für sibirisches Erdgas verlegt werden. Spannung erzeugt der Kontrast zwischen der Weite des Horizonts und der Enge des Grabens. Der Beobachterpunkt ist sehr tief gelegt, so daß sich die Erdmassen bedrohlich aufbauen. Ihre Bewegung, das Graben mitten durch den Erdleib, teilt sich fast physisch mit. Statt durch symbolische Bedeutung beeindrucken die Zeichnungen durch den Versuch, einer konkreten Erfahrung Ausdruck zu verleihen.

Katrin Bettina Müller

„Treptower Kunst in Neukölln“, Schloß Britz bis 17. März, Di, Do, Fr, Sa, So 14-18 Uhr.

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