: Bumsfallera
■ „Määnz“, wie es stinkt und kracht
Frankfurt (taz)- Sie nennen es die „fünfte Jahreszeit“ - und trotz der lauen Lüftchen: auch in den rheinischen Metropolen gefriert einem das Blut in den Adern. „Fassenacht“ ist angesagt, zum Beispiel in Mainz.
Hunderttausende von KampftrinkerInnen werden sich wieder in „Määnz“ und anderswo versammeln, um sich angeblich die bunten „Lindwürmer“ anzusehen, die sich durch die Straßen wälzen: „Helau“, Alaaf und „Hal‘ die Geil“. Die letzten Mucker und Philister saufen sich drei Tage lang bewußtlos, grabschen schunkelnd und sabbernd nach den Brüsten der „Funkemariecher“ (die sich das drei Tage lang gefallen lassen) und kotzen anschließend in Papierkörbe und an Häuserwände, auf Saalböden oder ihrem Nachbarn auf die Hose.
Kanisterweise schleppen die rechtsrheinischen Närrinen und Narrhalesen schon im Morgengrauen den billigsten Bölkstoff über den deutschen Schicksalsstrom, damit sie am Rosenmontag auch ordentlich die Sau rauslassen können. „Bumsfallera“. Da ist kein Witz zu zotig, keine Anspielung zu schmierig. „Rumba, Rumba - Tätärää!“ Die närrische Adelskaste wird derweil auf „Motivwagen“ durch die Straßen gekarrt. „Tollitäten“ geben den Ton an bei der „Fassenacht“, denn Spaß an der Freud‘ ist eine ernste Angelegenheit. Prinzen und Prinzessinen, ordenbehangene Gardekommandanten und Sitzungspräsidenten schleudern „olle Kamellen“ unters Volk, das sich zur Marschmusik der Blechregimenter die Lebensangst aus dem Leibe schreit - „Rucki-Zucki!“ Omas „klein‘ Häusche“ ist schon längst versoffen, und zur „Alten“ gehen wir erst heim, wenn die „Pannekuche backt“, weil die „klaane Böppcher“ im Vollrausch viel knuspriger sind. Die „Fassenacht“ als Psychogramm der deutschen Volksseele: laut, abgeschmackt und ordinär muß es zugehen.
Wenn am Aschermittwoch die Besenwägelchen der Stadtreinigungsämter die letzten Luftschlangen und Konfettiplättchen beseitigen, die Pariser aus den Gebüschen geholt und die Kotzlachen weggewischt worden sind, wird auch „Määnz“ wieder zur biederen Provinzhauptstadt am schmutzigen Rhein werden - mit all seinen biederen BürgerInnen, die denen, denen sie noch gestern um den Hals gefallen sind, heute nicht einmal mehr die Hand geben würden.
Klaus-Peter Klingelschmitt
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