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Militärs lauern auf ihre Chance

In Argentinien hungert das Volk / Angesichts der Not blüht die Korruption / Die Linke spielt politisch keine Rolle  ■  Aus Buenos Aires Gaby Weber

„Buenos Aires ist nicht mehr weit von Bukarest entfernt“, titelte die linke Tageszeitung 'Pagina 12‘ in der letzten Woche. Was sie dazu veranlaßte: Geschäfte wurden geplündert und Lebensmitteltransporte überfallen. Laut Augenzeugenberichten waren an den Aktionen jeweils zwischen 50 und 100 Personen beteiligt. Die Masse der rapide verarmenden Bevölkerung läßt sich - noch - durch bewaffnete Wächter in den Verkaufshallen und auf den Dächern der Supermärkte abschrecken. Die Geldentwertung hat dramatische Formen angenommen. Allein für den Monat Februar wird sie auf 300 Prozent geschätzt. Die Waren werden in Dollars ausgezeichnet, nur die Löhne werden in Australes ausgezahlt. Aber diese Löhne reichen nicht einmal für das Essen.

In der Provinz Buenos Aires wurde der Notstand ausgerufen und die Armenspeisungen in Schulen und Behörden ausgeweitet. In tiefster Krise feiert aber auch die Korruption fröhliche Urstände: in Neuquen wurden in einem Stall Kisten mit dem amtlichen Aufdruck „PAN“ (Brot) gefunden. Die Lebensmittelspenden aus dem PAN-Programm waren an Schweine verfüttert worden.

Andernorts werden Lebensmittelgutscheine zweckentfremdet: statt an die Bedürftigen gehen sie an Funktionäre der rechten Parteien, die sie wiederum als Wahlgeschenke mißbrauchen.

Luis Zamora, Abgeordneter des trotzkistischen MAS, forderte vergeblich, Hilfszahlungen oder Eßbares nur über Fabrikgruppen oder Nachbarschaftskomitees zu verteilen. Doch die Linke spielt derzeit kaum eine Rolle. Während die KP über Selbstauflösung diskutiert, brüstet sich zwar der MAS in steigenden Mitgliederzahlen; doch die neuen Parteigenossen kommen vor allem aus der Mittelschicht. Gerade in den konfliktreichen Armenvierteln ist MAS kaum verankert. Die Gewerkschaft, die während der Amtszeit Alfonsins 13mal den Generalstreik ausgerufen hatte, beschränkt sich auf Versuche, die empörten Gemüter zu beruhigen. Einen Generalstreik gegen den massiven Reallohnverlust auszurufen, wagen sie nicht.

Angesichts drohender Hungerrevolten bot Präsident Menem dem im Mai unterlegenen Kandidaten der Radikalen Partei, Eduardo Angeloz, einen Ministerposten an. Expräsident Alfonsin versuchte - bisher vergeblich - seinen Parteifreund zum Regierungseintritt zu überreden. Die Demokratie müsse stabilisiert werden - „sonst bringen sie uns alle um“.

Mit „sie“ meinte der frühere Präsident die Militärs, die angesichts des dramatischen Vertrauensschwunds gegenüber Menem täglich an Macht gewinnen. Die „Carapintadas“, die Offiziere, die mit ihren Rebellionen die Alfonsin-Regierung destabilisiert hatten, treten immer häufiger in Fernsehen und Presse auf. Sie suchen nach Verbündeten; den Unternehmern versprechen sie eine „harte Hand“ bei der Durchsetzung des neoliberalen Modells und den Gewerkschaftern und in den Elendsvierteln Arbeitsplätze. „Die argentinische Führung ist geistig, moralisch und intellektuell korrupt, und ihre Tage sind gezählt“, verkündet ihr Führer Aldo Rico.

Eine „harte Hand“ verspricht auch General Isidoro Caceres. Der Heeres-Chef gilt als Mann der USA, denen die „Carapintadas“ zu suspekt, Noriega-ähnlich, sind. Seit Wochen drillt er Soldaten auf den Einsatz gegen Plünderer. „Wenn uns die Regierung zu Hilfe ruft“, so Caceres, „werden wir für Ordnung sorgen.“

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