Weserpark - Kaufrausch in Tenever-City

■ Verkehrs-Chaos im Bremer Osten / Tausende wollten dabei sein / „Weserpark“ eröffnet

Der Radiowecker quäkte gestern am frühen Morgen: Mehrere Kilometer Stau rings ums Bremer Kreuz. Schon wieder eine Naturkatastrophe? Fast genau so schlimm: Die Eröffnung des „größten Fachmarktzentrums in Deutschland“ namens „Weserpark“.

Der Bus Richtung Tenever gerät am Osterholzer Friedhof ins Stocken. Fahrtzeit von der City: Eineinhalb Stunden. Den SchülerInnen knurrt der Magen. Eine schwärmt: „Alles ist drinnen - ein ganz großes Gebäude. Man braucht keinen Regenschirm mitzunehmen.“

Das privatwirtschaftliche Großunternehmen ruft öffentliche Helfer auf den Plan: Die Polizei regelt den Verkehr. Von der Züricher Straße fahren Einsatzbusse der Bremer Straßenbahn AG. Die Busfenster sind beschlagen. Durch kleine freigewischte Löcher im Fenster sehe ich: Otto Brenner -Allee. Die ersten Fußgänger mit großen, bunten Kartons kommen uns entgegen.

„Oh, ist das groß“, stöhnt eine Frau, die aus dem Bus steigt, beim Anblick der riesigen Anlage. „Guck mal, Mutti, da ist Adler!“ ruft ein Kind.

Erstmal Autos, Autos, so weit der Blick reicht. Die 2.500 Parkplätze sind alle besetzt. Viele Kennzeichen aus dem Umland

und aus der DDR. Dazwischen die Glaspassage, die den KundInnen den Weg zum Haupteingang weist. Und wirklich: Wie Atlantis inmitten ozeanischen Urgewalten-so breitet sich das Luftschloß Weserpark nach einer Fahrt durch die Bremer Betonwüste vor den Augen aus. Klinisches Styling ist anscheinend immer noch in. Alles blütenweiß, wie die deutsche Hausfrau es liebt.

Tausende verlaufen sich in der wohlklimatisierten Passage. Das Gedrängel ähnelt einem langen Samstag in der Bremer Innenstadt. Die Geschäfte auch. Nur, daß es dort jetzt regnet. Hostessen in engen Kostümen verteilen Rosen an die Damen. Im Innenhof scheint - wie gerufen - plötzlich die Sonne. Einem älteren Ehepaar gefällt es sehr gut: „Wir kommen aus Delmenhorst. Wir sind im

Stau steckengeblieben und den Rest zu Fuß gegangen. Wir haben schon ein Bügeleisen gekauft.“ Wie nach der Maueröffnung: Die Leute haben das heroische Gefühl, dem wichtigsten Ereignis dieser Tage beizuwohnen - das entschädigt allemal für die Strapazen.

Ein Besucher aus der DDR: „Ich wundere mich, wieso die Leute, die sowieso schon alles ha

ben, sich hier so wild in die Geschäfte stürzen.“ Eine Dame aus Lilienthal: “ Dabei sein ist alles, habe ich mir gesagt. Und wir haben ja auch eine Rose bekommen, dabei hätten wir eigentlich einen Orden verdient! “

In den Einkaufswagen stapeln sich die marktwirtschaftlichen Luxusgüter - und alles immer gleich mehrfach - ob die Leute die Sachen weiterverscheuern? Der Lärmpegel ist erheblich, und die Luft ist auch nicht mehr so gut unter dem Glasdach. Jetzt schnell weg hier.

Die Leute aus Osterholz-Manhattan habens ausnahmsweise mal gut: Sie gehen mit ihren Neu-Errungenschaften zu Fuß zurück ins Hochhaus. Mit dem erhebenden Gefühl, jetzt eine City ihr eigen zu nennen.

Beate Ramm