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Bonn erfüllt Forderungen Polens

Die Sache der Wiedervereinigung kann dabei nur gewinnen  ■ G A S T K O M M E N T A R

Während des Polnisch-deutschen Forums in Posen erklärte ein Vertreter der Bonner Regierung, die Oder-Neiße-Grenze werde noch in einer frühen Phase des Wiedervereinigungsprozesses endgültig anerkannt. Die Erklärung Kohls präzisiert diesen Termin. Das ist, so scheint es, ein Umbruch in dem sich seit Jahren hinziehenden, vollkommen überflüssigen Streit um die Oder-Neiße-Grenze. In einem Streit, der nicht nur Polen, sondern auch den Deutschen schadete.

Man erinnert sich an die Worte Willy Brandts, die dieser nach Unterzeichnung des polnisch-deutschen Vertrags vom Dezember 1970 sagte: Wir haben nichts hergegeben, was nicht schon vorher verloren war. Heute ist das noch offensichtlicher: Die deutsche Politik gibt keine Verhandlungskarte aus der Hand, sie wirft nur unnötigen Balast ab. Ihre Bewegungsfreiheit kann dabei nur gewinnen, und das ist von grundsätzlicher Bedeutung in einem Moment, in dem die Wiedervereinigung auf der Tagesordnung steht.

Das Problem der Oder-Neiße-Grenze wurde nicht nur für die Polen zu einem Test der deutschen Absichten: ob die Wiedervereinigung nur das Ergebnis der politischen Stärke Deutschlands, die niemand anzweifelt, sein würde oder auch Ergebnis einer Verständigung mit den Nachbarn in Europa. Das ist nicht nur eine Stilfrage. Die Antwort darauf vermittelt nämlich die Vorstellung davon, wie die Politik eines künfigen wiedervereinigten Deutschland aussehen wird.

In der Debatte um die Wiedervereinigung, die seit einigen Wochen in der BRD stattfindet, kommen beide Denkmuster vor. Die Entscheidung über die Bestätigung der Oder-Neiße-Grenze ist ein wichtiges Signal, daß jene Richtung die Oberhand gewinnt, die darauf setzt, die Deutschen und ihre Nachbarn harmonisch in Einklang zu bringen. Die Sache der Wiedervereinigung kann dabei nur gewinnen.

Janusz Reiter

Aus 'Gazeta Wyborcza‘ vom 1.3., Übersetzung: Klaus Bachmann

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