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„Das Unrecht muß beseitigt werden“

Rosalinda von Ossietzky-Palm über den Versuch, ihren Vater zu rehabilitieren  ■ I N T E R V I E W

taz: Warum haben Sie die Wiederaufnahme des 'Weltbühnen' -Prozesses beantragt?

Rosalinda von Ossietzky-Palm: Das Unrecht an meinem Vater muß beseitigt werden. Ossietzky war ein überzeugter Pazifist, und es war für ihn sehr schwer, damit zu leben, als Landesverräter verurteilt zu sein. Das hat mich die ganzen Jahre über verfolgt. Erst war ich sehr jung und wußte nicht, was ich tun sollte. Dann habe ich Kontakt zur Liga für Menschenrechte aufgenommen, um zu sehen, ob da überhaupt etwas zu machen ist. Schließlich wurde ja oft gesagt, Ossietzky sei von einem „ordentlichen Gericht“ verurteilt worden. Aber was war das für ein Gericht?

Der Antrag kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die Wiedervereinigung auf der Tagesordnung steht.

Ich finde, er kommt genau zur richtigen Zeit, weil man jetzt sehr viele Leute unter die Lupe nimmt und anklagt wegen Landesverrat. Da muß man sich fragen, welche Menschen verraten eigentlich ihr Land und was ist Landesverrat. Das muß genau untersucht werden. Ich meine das aber nicht nur auf die DDR bezogen, sondern überhaupt.

Was für eine Stimmung verströmt Deutschland gegenwärtig für Sie?

Eine Stimmung, daß die Menschen friedensbewußter sind, als sie es je waren. Das habe ich in Schweden auch von einem Busfahrer gehört. Das hat mir ein wunderbares Gefühl für mein ehemaliges Land gegeben.

Aber Sie wollen weiter in Schweden leben?

Ich bin 1933 nach England emigriert und 1936 nach Schweden. Ich habe dort geheiratet und einen Sohn bekommen. Weil mein Vater nicht mehr lebte, hatte ich nicht die richtige Motivation zurückzugehen. Meine Mutter wollte Deutschland nie verlassen. Sie hat damals versucht, ganz in der Nähe des Konzentrationslagers zu wohnen, in dem mein Vater war. Sie hat überhaupt nicht an sich gedacht, sondern nur daran, wie sie meinen Vater wieder rausholen kann. Und als er an Tuberkulose starb, die ihm wahrscheinlich im KZ injiziert worden ist, konnte sie sein Grab nicht verlassen und hat bis zu ihren Tod 1974 in Pankow gelebt.

Interview: Plutonia Plarre

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