: Tut Buße, werdet Polizist
■ Polizei Lesum hatte 50ten Geburtstag / Sühne in den Wartehallen des Reviers
Vor das Feiern hat der Liebe Gott das Warten gesetzt. Das ist auch gut so. Denn immerhin haben die Menschen genug ausgefressen, daß sie erst ein bißchen sühnen müssen, damit sie der Freudenfeier wenigstens halbwegs würdig sind.
Weil die Verhältnisse in diesem Jammertal seit der Schöpfung sich schon so weit verkompliziert haben und der Schuldkoeffizient der Menschen auf der Erde so weit angestiegen ist, daß die Höllenöfen mit der Wärmeversorgung der nötigen Fegefeuer nicht mehr nachkamen, hat der Liebe Gott es so eingerichtet, daß es hier eine Firma gibt, mit dem Namen „Polizei“, die das Sühnen zu ihrer Spezialität gemacht hat und die Langeweile zu ihrer mildesten Straf -Form.
Und eines ist klar: Die Sühnewächter sind natürlich auch nur sündige Menschen. Auch sie müssen warten, wenn sie etwas zu feiern haben, zum Beispiel gestern die in Lesum bis zum Nachmittag, weil sie doch den fünfzigsten Geburtstag ihrer Revierwache zu begehen hatten. Das ist ja nun wirklich nichts, was man so einfach und unbefangen feiern könnte, schließlich weißt sich die Geburtsstunde des Reviers beim
Nachrechnen als durchaus nicht unproblematisch aus. Folgerichtig läßt sich über die ersten fünf Nazi-Jahre der „Wache 20“ kein Material mehr finden. Und alle leiden an Amnesie in Lesum und so manch einen von außerhalb macht das nicht weniger mißtrauisch.
Aber was war, ist vergangen und auch die Gegenwart dieser Firma zeugt von hohem Schulddruck. Man betritt die Heiligen Hallen des Reviers und schon sieht man sie, die Sünder, mit den grünen Krawatten und den bräun
licUniformen, mit den allgegenwärtigen Schnurrbärten (scheinbar eine kultische Selbstkasteiungsform) und dem Gummiknüppel fest in der Hosentasche. Sechs Mann (oder noch mehr) dick hängen sie da rum in ihrer Wache, nichts zu tun, langweilen sich wie arbeitslos und warten auf das große Ding, das sich doch endlich Mal in Lesum ereignen könnte.
Stattdessen Besuch von Sakuth, der festredet und gutzuheißen verspricht, wenn die Wache, die wegen des miserablen baulichen Zustands die Verwah
rungszellen nicht mehr benutzt, umgebaut würde. Aber das ist nur für die Leitung des Reviers bestimmt, das ist ja schon ein bißchen Abwechslung. Der vorlaute Journalist, der gerne zuhörte, wird mit Hinweis auf den guten, alten Befehlsnotstand fernab von den Ereignissen zum Warten verknackt: „Wir führen nur Befehle aus.“ (Auch ungefähr fünfzig Jahre alt, dieser Satz.) „Und tun dabei unser bestes.“ Nämlich nichts, und daß das ihr bestes ist, glaube ich doch gern.
step
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen