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Standard-Tanz

■ „Tears for Fears“ in der unterbesetzten Stadthalle

„The Seeds of Love“ heißt das aktuelle Album des britischen Duos „Tears for Fears“, und es ist, Ende 89 erschienen, einer der bisher hübschesten popmusikalischen Ausblicke auf die 90er Jahre: Eine Balladensammlung im zarten Flower-Power -Gewande, mit Beatles-Zitaten durchsetzt, aufwendig arrangiert und gnadenlos optimistisch. Und erfolgreich. Obwohl deutlich zwischen sämtlichen Stühlen des Zeitgeistes plaziert, wurde die Platte um die Jahreswende zum Verkaufsschlager. Doch offensichtlich reicht das nicht, um die großen Hallen zu füllen. Die Stadthalle jedenfalls war am Sonntag nur mäßig gefüllt, die dichtgedrängten Reihen endeten auf der Höhe des Mischpultes. Wer Radio gehört hatte, wußte es bereits: Die Tour verläuft enttäuschend.

„Tears for Fears“, das sind Roland Orzabal (git, voc) und Curt Smith (b'voc), das ist eine umfangreiche Crew von Ton -Technikern, wahre Meister des Sounds, und das ist eine zehnköpfige Band, die auf Handarbeit setzt: Percussions und Saxophon, zwei Keyboards plus Piano, zwei Gitarren. Ihre Musik lebt von der Opulenz der Klänge, von den wuchernden Collagen, die die meist recht mageren Melodien in oft scheinheilige Höhen tragen. Keine leichte Aufgabe für die Crew und die Band, doch angesichts der durch die Akustik der Halle gesetzten Grenzen wurde das Problem passabel gelöst. Dafür war nicht zuletzt die stimmliche Virtuosität Orzabals verantwortlich, der den meisten Songs seinen leicht weltschmerzverzerrten Stempel aufdrückte. Curt

Smith, auch ein guter Sänger, verblaßte daneben deutlich.

Die Show war handzahm wie das Publikum und wer es allen zwischen 18 und 40 munden lassen will, kann auf der Bühne nicht in extreme Rituale verfallen. Ein ständig das Publikum mit segnender Gebärde bedenkender Orzabal war da schon das höchste der erlaubten Gefühle.

Bleibt das Licht. Hier setzten „Tears for Fears“ in der Tat Akzente und der üblichen Effekthascherei Geschmack entgegen: Eine lichttransparente Großleinwand im Backstage setzte das Geschehen auf der Bühne vor wechselnde Farbflächen, die Pianistin Oleta Adams thronte als Schattenriß auf einem Podium in der Mitte der Bühne - in vorbildlicher Haltung, mit durchgedrücktem Kreuz, schwarzem Blazer und Schirmmützchen. Ein für ein Rockkonzert außergewöhnlich feiner Gag. Ansonsten: Varia-Lights, perfekt gesteuert, Standard eben.

Daß es zunehmend langweilig wurde, lag an der Dramaturgie. Der balladenlastigen Mischung aus der alten, der teenie -fixierten und der neuen, der gewollt erwachsenen Zeit fehlten die Fetzer. Und so hielt sich die Begeisterung in Grenzen. Auch bei der Band: Nach eineinhalb Stunden eine Zugabe - „Shout“, was sonst, Schluß. Das, zumindest, ist inzwischen weit unter Standard.

Im Preis inbegriffen war im übrigen die Vorgruppe. Jenny Morris erwies sich da als mainstreamfixierte Rocklady aus Australien, stimmgewaltig, glatt und austauschbar. Nichts neues von „Down Under„.

Rainer Köster

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