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3.700 Kinder bleiben draußen

■ Hoffnungslose Prognosen fürs Kindergartenjahr / 2.500 empörte Eltern demonstrierten

3.700 Bremer Kinder werden im kommenden Jahr keinen Kindergarten-oder Hortplatz bekommen. Volker Fietz vom Gesamtelternbeirat der Kindertagesstätten goß gestern nachmittag Wasser auf die Mühlen von etwa 2.500 empörten Eltern, ErzieherInnen und Kindern. Die hatten sich nach einem Sternenmarsch aus den Richtungen Bahnhof, Ziegenmarkt, Leibnizplatz und Berufsbildungszentrum auf dem Marktplatz versammelt, um gegen die skandalöse Kindergartenpolitik des Jugendsenats zu protestieren. Die Zahl der Absagen löste ein gellendes Pfeifkonzert aus, dessen zweiter Satz, fortissimo vivace, der Senatorin Sabine Uhl galt: Die war trotz Einladung nicht aud dem Marktplatz erschienen, um sich mit den Eltern auseinanderzusetzen, und hatte auch gleich noch einen Gesprächstermin mit dem Gesamtelternbeirat abgelehnt.

In Bremens Kindergärten brennt es derzeit in allen Ecken. Ablehnungen für beantragte Kindergartenplätze, Gebührenerhöhungen und eine katastrophale Unterversorgung treiben die Eltern auf die Barrikaden. Über 80 Prozent der angemeldeten Kinder werden in diesem Jahr abgewiesen, und jeder Platz wird teurer: Nach der neuen Gebührenordnung, die vom nächsten Kindergartenjahr an fällig ist, müssen Eltern für einen Platz mit Mittagessen statt 169 dann 216 Mark bezahlen, bei zwei Kindern sogar 367 Mark. Wer bisher in einer un

teren Berechnungsgruppe lag, muß für zwei Kinder anstelle von 70 Mark dann 280 Mark bezahlen. Ab Sommer sollen Kinder -Urlaubs- und Weihnachtsgeld berücksichtigt werden.

Zu diesen düsteren Kindergartenvisionen gesellt sich die nackte Realität: Im KTH Hardenbergstraße fehlt sowohl eine LeiterIn als auch eine Springkraft: Wenn hier Personal krank wird (was bei der hoffnungslosen Überbelastung nur allzu schnell der Fall sein wird), fällt von heute auf morgen die Betreuung der Kinder

ersatzlos aus, möglicherweise auf Wochen. In der Delmestraße betreuen drei ErzieherInnen 60 Kinder. Im KTH Hammerbeck, wo von 69 Kindern 47 abgewiesen wurden, steht ein Raum für weitere 13 Kinder leer. Hier wird keine weitere Stelle belegt.

Neben den finanziellen Belastungen, die auf alle Kindergarteneltern zukommen, trifft es vor allem Alleinerziehende, die auf die Betreuung ihrer Kinder angewiesen sind und mit existentiellen Nöten konfrontiert werden: Der finanzielle Aufwand für private

Versorgung ist unverhältnis mäßig hoch, Räume für private Kindergruppen stehen kaum noch zur Verfügung. Marlies H., ganztägig berufstätig als und Mutter eines Kindes: „Ich kann noch nicht einmal auf Härtefallregelungen hoffen. Die Situation wird so bedrohlich, daß praktisch jedes zweite Kind unter entsprechende Bedingungen fällt“. „Von wegen gerechte Verteilung“, fluchte Marion S., Ebenfalls alleinerziehende Mutter: „Wir sind mal wieder die angeschissenen.“ Markus Daschne

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