: Sperrmüll im Universum
■ Malerei, Objekte und eine Installation von Thomas Bortfeldt in der Kunsthalle WHV
Das goldene Kalb steckt in der Klemme. Im Zentrum der Kunsthalle WHV übt das Kalb in großer Höhe und ohne Netz den Sprung durch einen viel zu engen Reifen. Die Drähte und Schnüre, in denen es sich verstrickt hat, erschweren den mutigen Sprung, der, würde er gelingen, tödlich ausginge. Dafür bürgt die Klinge einer Sense als Landeplatz.
Diese ironisch-makabre Szene ist nur ein Detail der großen Installation, die der Berliner Künstler Thomas Bortfeldt in das Zentrum seiner Ausstellung gerückt hat. Der Metallstiel der Sense schwingt sich über fünf Meter unter der Raumdecke hin zu einer medizinballgroßen goldenen Erdkugel. Der Planet, ebenfalls umringt, schwebt in einem Drahtkäfig, der an einen zerbeulten Zeppelin erinnert. Der Erdkugel geht es nicht besser als dem Kalb.
Ihr, wie auch den um sie schwebenden Pflanzenblättern aus Holz drohen weitere Sensen. Eine falsche Bewegung, und es wird abgemäht.
Offensichtlich ein ernstes Thema. Doch Bortfeldts aus Fundstücken spielerisch zusammengefügte Installation ist nicht der Zeigefinger im Kunstgewand. Handelt es sich doch nicht um seherische Voraussicht, sondern um das inzwischen zum Standard gewordene Lebensgefühl unserer Zeit. Wir wissen um die Gefahr unseres Verhaltens.
Bortfeldt aber bringt die Geschichte zu einem sauberen Abschluß: unter das Weltentheater setzt er auf kräftigen Holzsockel eine mannshohe, kupferne Mischung aus Amphore, Einweckglas und Graburne - in ihrem vorkünstlerischen Dasein war diese wohl ein Teil einer Schorn
steinanlage. Jetzt - der Deckel steht offen - ist sie aufnahmebereit zur Endlagerung. Zugleich wird diese Mülltonne überdauerndes Denkmal der ganzen Chose sein.
Bildnerische Rätsel verweigern Narration, alles ist in Bewegung. Die vielperspektivischen Bildräume sind verschachtelt, die Elemente gleichen denen der Installation: Käfige, Zäune, Bootformen, Blätter, Kreise, Ringe und Spiralen werden zu sehr plastisch durchgearbeiteten Bühnengeschehen arrangiert. Umso deutlicher die flache Darstellung alles Lebendigen. Die mit Hilfe von Schablonen eingefügten Schemen sind Mutationen aus Mensch, Tier und Amöbe. Hierarchien existieren nicht.
Auch zwei kleinere Objekte zeugen von der alles umfassenden Dimension seines künstlerischen Denkens, in der sowohl der Sternenhimmel wie auch die Farbschüssel aus dem Atelier ihre Plätze finden. Für den Modellbauer alles eine Frage der technischen Verbindung. Achim Könnek
Kunsthalle WHV, bis zum 8.4.
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