HA-HA-HA-HEIMAT

■ Gerhard Polt und die Biermösl-Blosn waren im Schillertheater

Ja, ja, Sie lachen vielleicht. Aber in Wirklichkeit ist das doch alles ganz anders, mit dem Lustig-Sein und mit dem Kitsch und mit dem Kabarett und mit der Volksmusik und mit der Bösartigkeit und mit dem Weinen und eben alledem. Ich für meine Person mußte jedenfalls letzteres, - nämlich weinen wegen Kunstgenuß, zum erstenmal seit langem angesichts dessen, was Gerhard Polt und die Biermösl-Blosn bei ihrem Gastspiel am Montag und Dienstag im Schillertheater zeigten. Denn - ich hatte so etwas irgendwie schon länger geahnt - den direkten Anschluß an das Schöguwa (Schöne, Gute, Wahre) gibt's wohl nur noch über die Lachnummer, wenn nicht gar das Gute ohnehin nur noch in der Wärme (der menschlichen) der Hundsgemeinheit daheim ist und das einzige sagbare, echte und unmittelbare Gefühl das der Boshaftigkeit ist (in diesen späten Zeiten). Denn alles vom 20. Jahrhundert Infizierte und dennoch vermeintlich Ungemeine ist immer gleich ungemein kitschig und also gelogen: ohne Sarkasmus keine Wahrheit.

Der Kurz-Kurs in ultramoderner Ästhetik neuert dabei weniger in den Tiraden des Meisters selbst: Gerhard Polts hyperrealistische Monologe als Gesundmenschenverständler (z.B. als Folterkammerführer in „a castle in upper bavaria“: „Tut mir leid, here we have only simpele torture -instruments, ladies and gentlemen. Herrschaften, if you want to see more, sophisticated and modern torture -instruments, like electro-shocks and so on, you should visit Dachau-conzentration-camp. Sehr empfehlenswert...“) setzen ja nur diesen vergleichsweise einfachen Gefriermechanismus an den Lachmuskeln resp. das kleine Würgen in Gang. Die Darbietungen der Biermösl-Blosn hingegen haben genau den umgekehrten Effekt. Diese drei bayerischen Buben - wohl auch noch zu allem Überfluß Brüder - spielen virtuos jeweils ungefähr 112 verschiedene Instrumente (Akkordeon, Drehleier, Wandergitarre, verschiedene Dudelsäcke, Alphorn, Tuba, Trompete, Harfe, etc.) und zwar wie schön, wie schön - auch noch aufs harmonischste zusammen. Und damit das - wahrscheinlich am Kachelofen im achten Stock eingeübte - Familienidyll perfekt wird, singen und jodeln die Brüder auch noch selbstgedichtete Schnadahüpferln. Ja, das ist Heimat: „Griaß dia gott, dioxin, pfüat dia gott, sennerin, griaß dia gott, autobahn, pfüat dia gott, löwenzahn...“, das jodelt sich wirklich schön zur sonst kitschverdächtigen Melodie. Oder wenn sie traurige Gitarrenweisen spielen, immer schneller, immer schneller, und der dabei halbschlafende Polt den Sound plötzlich wiedererkennt und ein begeistertes „Ole, arriba Costa Brava“ dazwischenruft, oder wenn ebenderselbe schließlich muht und wiehert zu einer verbotenschönen Sonnenuntergangs-Melodie, die die Alphörner blasen: Dann ist Lachen, und dann dürfen wir endlich auch weinen, vor Rührung über das Gebrochene, wo doch immer das Ganze das Unwahre ist.

grr