Zebra-Streifen geklaut

Offenbach überraschte Duisburg mit 1:0: Zum allerersten Mal ein Oberligaklub im Halbfinale des DFB-Pokals  ■  Aus Duisburg Jörg Seveneick

Die Damen am Buffet waren kreidebleich und um die Nase blaß. Bier und Handschnittchen bleiben auf Halde, die Gaststätte im Tribünentrakt des Wedaustadions traurig leer. „Damit hatte niemand gerechnet“, kommentierte eine arbeitslose Schankfrau das Abtauchen der Menge in den abendlichen Frust. Eine treffliche Analyse für ein Überrschungsei im Netz des Zweitligisten.

Mit 1:0 stürzen die Amateure aus Offenbach den klassenhöheren MSV Duisburg vom Pokalhimmel auf den tiefen Boden der Tatsachen. Damit steht zum ersten Mal im offiziell bezahlten Fußball ein Oberligist im Halbfinale des DFB -Pokals. Damit konnte nun wahrlich niemand rechnen.

Am wenigsten die elf Meidericher, die sich im traditionell gestreiften Zebradreß zu überlegen wähnten. Zahm kamen die Zebras, „unendlich langsam“, wie Kaiserslauterns Halbfinalspion Kalli Feldkamp meinte. Selbst einer wie Ewald Lienen, mit 36 Jahren als ehemals gutes Gewissen der Bundesliga („Ein Schweinemarkt“) voll fit, fand kein Rezept gegen ein beeindruckendes Bollwerk von Kickerbeinen.

Duisburgs Coach Willibert Kremer: „Wir hatten keine einzige wirkliche Torchance.“ So ist das, wenn man im Kopf längst eine Runde weiter ist.

Und die Offenbacher? Mit der Gelassenheit des Nicht -Verlierens, aber des Alles-Gewinnen-Könnens gaben die Kickers noch fünf Minuten vor dem Anpfiff fleißig Autogramme, warfen hernach ihre Leibchen über den Zaun und hievten ausgelassen vier Kisten Pils in die Kabine. Zwischendurch traf Mittelstürmer Ralf Haupt zur Ernüchterung von 21.000 Duisburgern in die Maschen des alternden Heribert Macherery. „Wir haben den Zebras die Streifen geklaut“, befand der überragende Offenbacher Oldie, Libero Ronnie Borchers. Ein Diebstahl, der den Alltag am Bieberer Berg zumindest zwei lange Wochen verfolgen wird: Offenbach zwischen Hessenliga (Platz drei) und Pokaltraum.

Doch erfahrene Veteranen wie Borchers und Torwart Bernd Fuhr rückten bereits unmittelbar nach der Dusche die Maßstäbe zurecht: „Das absolute Ziel ist der Wiederaufstieg in die zweite Bundesliga. Wenn du das im ersten Jahr nicht sofort schaffst, bist du weg vom Fenster.“

Währenddessen hegte Torschütze Ralf Haub Rachegedanken: „Ihm werde ich geben“, deutete er auf Lauterns Kalli Feldkamp und den 20. März. Ein Jahr lang spielte Haub in Frankfurt unter Feldkamp, der ihmn nach sechs Einsätzen das Attest „untauglich für die Bundesliga“ verlieh. Feldkamp, soeben von den Pyramiden zum Betzenberg gewechselt, will von solcherlei Reminiszenzen wenig wissen. Auf die Aufgabe am Bieberer Berg angesprochen, meinte er nur: „Das Stadion ist verdammt klein.“ Und im Pokal, wie schön, bleibt wie immer alles möglich. Duisburg mußte die Allerweltsweisheit erst nach dem Abpfiff begreifen. Davor Uerdingen und Mönchengladbach, die beide in dem kleinen Stadion in Offenbach scheiterten.

MSV DUISBURG: Macherey - Notthoff - Struckmann (66. Alispahic), Semlits, Puszamszies, Woelk, Steininger, Kober, Lienen - Hajszan, Tönnies (75. Thiele), KICKERS OFFENBACH: Fuhr - Borchers - Thiel, Karl Richter - Kostner, Schummer, Kroninger, Hans Richter, Zyrys - Haub (78. Brummer/87. Figar); Tor: 0:1 Haub (27.)