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„Maßnahmen zur Verhinderung der weiteren Formierung von ... antisozialistischen Sammlungsbewegungen“

 ■  Vorlage für das Politbüro

des ZK der SED

Betreff: Maßnahmen zur Verhinderung der weiteren Formierung und zur Zurückdrängung antisozialistischer Sammlungsbewegungen

(...)

Anlage 2

Maßnahmen:

1. (...)

2. Zum Inhalt von Konzeptionen und Plattformen antisozialistischer Sammlungsbewegungen und zu öffentlichen Erklärungen und Interviews ihrer Vertreter werden Gutachten, Studien und Argumentationsmaterialien erarbeitet, in denen zu den aufgeworfenen Fragen marxistisch-leninistische Antworten gegeben werden. Ziel muß sein, den Nachweis zu erbringen, daß die SED über wissenschaftlich begründete Vorstellungen zur Überwindung vorhandener Widersprüche und Entwicklungsprobleme verfügt, diese zur Diskussion stellt und bereit ist, jeden nutzbaren Gedanken zur Weiterentwicklung des Sozialismus aufzunehmen. Zugleich müssen damit alle gegen unsere Gesellschaftskonzeption gerichteten offenen und verschleierten Angriffe widerlegt und zurückgewiesen werden. Auf dieser Grundlage wird die offensive und öffentliche Auseinandersetzung mit Konzeptionen und Personen im Rahmen der politischen Massenarbeit und in den Medien geführt. Sofort ist ein grundsätzlicher Artikel im 'Neuen Deutschland‘ über die Konzeption des „Neuen Forums“ und unsere marxistisch -leninistischen Positionen dazu zu veröffentlichen (möglicher Autor - Erich Hahn).

Zur Führung dieser ideologischen Offensive wird eine Arbeitsgruppe des ZK der SED gebildet.

Verantwortlich: Genosse Kurt Hager als Leiter der Arbeitsgruppe, Abteilung Propaganda, Abteilung Agitation, Abteilung Wissenschaften, Abteilung Kultur, Akademie für Gesellschaftswissenschaften, Institut für Marxismus/Leninismus, Parteihochschule „Karl Marx“, Redaktion 'Einheit‘, Abteilung Sicherheitsfragen, Abteilung Staats- und Rechtsfragen.

3. Die Kreisleitung und die Leitungen der Grundorganisationen mobilisieren und befähigen die Mitglieder unserer Partei zum offensiven politischen Gespräch auf der Grundlage der Beschlüsse der 9. ZK-Tagung. Sie treffen Festlegungen zum verstärkten Einsatz von Genossen aus Betrieben. Genossenschaften und Einrichtungen in Wohngebieten und Bereichen, die Schwerpunkte des bisherigen Wirkens des „Neuen Forums“ bilden.

Verantwortlich: Die ersten Sekretäre der Kreisleitungen der SED.

4. Die Volksvertretungen und ihre Organe führen den sachbezogenen Dialog mit allen Bürgern, einschließlich solcher, die von unserer Gesellschaftskonzeption abweichende Auffassungen vertreten. Das Wirken der Abgeordneten und der Mitarbeiter des Staatsapparates in den Wahlkreisen und Wohngebieten ist entschieden zu verstärken. Dazu sind vor allem Einwohner- und Hausversammlungen, Foren und persönliche Aussprachen zu nutzen.

Ziel ist, den Differenzierungsprozeß zu fördern, Andersdenkenden zu einem konstruktiven Miteinander im Rahmen der vorhandenen gesellschaftlichen Strukturen zu bewegen und Feinde des Sozialismus zu entlarven.

Der Dialog muß so geführt werden, daß daraus keine offizielle Anerkennung des „Neuen Forums“ und anderer antisozialistischer Sammlungsbewegungen abgeleitet werden kann.

Verantwortlich: Genosse Horst Sindermann, Genosse Willi Stoph, Genosse Klaus Sorgenicht, die 1. Sekretäre der Bezirks- und Kreisleitungen, die Vorsitzenden der Räte der Bezirke und Kreise.

5. (...)

6. In Konzeptionen, Plattformen und öffentlichen Erklärungen von Sammlungsbewegungen enthaltene, sachbezogene Vorschläge und Anliegen werden ausgewertet und - soweit dazu zentrale Entscheidungen bzw. Orientierungen erforderlich sind - den zuständigen Ministern und Leitern anderer zentraler Staatsorgane zur Entscheidung bzw. Erarbeitung von Standpunkten übergeben. Auf dieser Grundlage wird das einheitliche Reagieren gesichert. Über Veröffentlichungen zu entsprechenden Entscheidungen sollte nach Zweckmäßigkeit entschieden werden.

Verantwortlich: Genosse Willi Stoph

7. Die in der letzten Zeit verstärkten Bestrebungen, bestimmten Erwartungen und Forderungen durch Demonstrationen Aus- und Nachdruck zu verleihen, müssen entsprechend den jeweiligen Bedingungen mit politischen Mittel zurückgedrängt werden.

Sollten Demonstrationen auf diese Weise nicht zu verhindern sein, wird angestrebt, daß sie entsprechend den Rechtsvorschriften als Veranstaltungen angemeldet und Genehmigungen mit konkreten Auflagen verbunden werden.

Antisozialistischen Sammlungsbewegungen ist bei Anträgen auf die Durchführung von Veranstaltungen im Freien (einschließlich von Demonstrationen) bzw. bei der Anmeldung von Veranstaltungen in Räumen nach gründlicher Prüfung die Erlaubnis zu versagen bzw. die Durchführung zu untersagen.

Die Versagung ist auf der Grundlage der Argumentation in Anlage 3 zu begründen.

Verantwortlich: 1. Sekretäre der Bezirks- und Kreisleitungen, Genosse Friedrich Dickel, Vorsitzende der Räte der Bezirke und Kreise.

8. (...)

9. Bei Aktionen antisozialistischer Sammlungsbewegungen muß der Einsatz von Kräften der Schutz- und Sicherheitsorgane so organisisert werden, daß polizeiliche Hilfsmittel, Spezialtechnik und -ausrüstung nur dann eingesetzt werden, wenn eine unmittelbare Gefährung von Personen, Objekten und Sachen vorliegt und anders nicht abzuwenden ist. Alle Handlungen der Einsatzkräfte müssen Recht und Gesetz entsprechen.

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