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Schotten dicht

■ Österreichs restriktive Asylpolitik gegen Osteuropa

Ausgerechnet die Schauplätze des großen Jubels im vergangenen Sommer sind zu Endstationen verzweifelter Fluchtversuche geworden. Die Ortschaften am Ostrand der Republik Österreich, die für Tausende von DDR-Flüchtlingen, die ihr Land auf dem Umweg über Ungarn verlassen hatten, großzügig die Tore zum „freien Westen“ öffneten, weisen seit gestern asylsuchende RumänInnen ab - es sei denn, sie verfügen über ein Visum und 5.000 österreichische Schilling (715 DM). Wer bettelarm ist, wie die meisten der zigtausend Wartenden, muß zurückkehren und sich auch noch als Wirtschaftsflüchtling beschimpfen lassen.

In nur sechs Monaten hat sich das Blatt völlig gewendet. Seit das kommunistische Feindbild nicht mehr intakt ist, hat Österreichs liberale Asylpolitik gen Osten ausgedient. Wien, der alte Knotenpunkt zwischen Europas Osten und Westen, will die armen Brüder und Schwestern, die ihre neugewonnene Reisefreiheit erproben, nicht mehr. Ähnlich wie den RumänInnen ist es zuvor schon polnischen Flüchtlingen in Österreich ergangen. Kaum hatten sich in ihrer Heimat die politischen Verhältnisse gelockert, strich die Wiener Regierung im Sommer 1989 die Unterstützung für polnische Asylbewerber in Österreich - von einem auf den anderen Tag mußten sie ihre Unterkünfte räumen und hatten gerade noch Anspruch auf das Geld für eine Rückfahrkarte zweiter Klasse.

Auf die Völkerwanderung aus dem Osten Europas, die sich erst anbahnt, weiß Österreich, wie auch das übrige Westeuropa, nur eine Antwort: Schotten dicht. An die Stelle der alten Grenzbefestigungen, die die demokratischen Bewegungen Osteuropas soeben eingerissen haben, treten nicht minder ausgrenzende Gesetze und Institutionen, die diesmal aus dem Westen kommen. Zusätzlich zum neuen Visum- und Devisenzwang, hat die sozialdemokratisch-konservative Koalitionsregierung in Wien vorgestern ein Fremdenpolizeigesetz durchgesetzt, das an Rigorosität kaum zu überbieten ist; über die Einrichtung einer in Österreich bislang unbekannten Grenzschutztruppe wird schon diskutiert.

Die Regierung des neutralen Alpenlandes will mit der Brüsseler Entwicklung schritthalten. Zwar hat die Europäische Gemeinschaft Österreichs Beitrittsgesuch erst kürzlich negativ beschieden, doch auch ohne Mitgliedschaft orientiert die Wiener Regierung ganz ausdrücklich ihre Außenpolitik an Brüssel, wo Außenpolitik nicht zuletzt die (west)europäische Abschottung nach außen bedeutet. Parallel werden im Inneren des künftigen Binnenmarktes die Grenzen abgebaut und Gesetze harmonisiert, darunter auch die Einreise-, Aufenthalts- und Visumbestimmungen in den zwölf Mitgliedsstaaten. Wer bei dieser „Harmonisierung“ immer rigoroserer Asylbestimmungen nicht mithält, muß befürchten, daß ihm am Ende die andernorts abgelehnten Flüchtlinge auf der Tasche liegen werden. Diejenigen, die von außen an die Tore diese abgeschottete Hälfte Europas klopfen, haben nicht viel Gutes zu erwarten - auch nicht mehr von Österreich.

Dorothea Hahn

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