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Leben auf der Überholspur

■ Über den Geschwindigkeitsfanatiker Steve McQueen und seinen Film „Bullit“, Sonntag, 23.05 Uhr, ARD

In seiner Jugend war er Mitglied einer Straßengang, man stufte ihn als „schwererziehbar“ ein. Später arbeitete er als Holzfäller in Kanada, als Ölsucher in Texas, als Schaffner und Barmixer. Dem US-Marine-Corps machte er Schande, weil er eine Vorliebe dafür entwickelte mit frisierten Panzern durchs Gelände zu donnern. Nur zufällig fand er den Weg zu Lee Strasberg berühmten New Yorker Actor's Studio, in dem auch Marlon Brando und James Dean ihre Jobs lernten. Die Rede ist natürlich von Steve McQueen.

Seine lässige Darstellung eines lakonischen Helden, der Zähigkeit mit Klugheit verbindet, war die Hauptattraktion in Filmen wie Die glorreichen Sieben (1960) oder Gesprengte Ketten (1962). 1965, McQueen war längst ein hochbezahlter Superstar, als er seine eigene Produktionsgesellschaft Solar gründete. So war er im März 1968 für Bullit auch als ausführender Produzent (executive producer) verantwortlich, obwohl er im Vorspann des Films nur als Darsteller genannt werden wollte. Bullit ist für mich der zweitbeste McQueen-Film. Der beste ist Sam Peckinpahs Getaway, auch schon des öfteren im Deutschen Fernsehen zu bewundern, leider aber immer nur in der (vom Fernsehen) zensierten Fassung.

Bullit basiert auf dem Krimi Mute Witness von Robert Fish. Die verworrene Geschichte ist zwar nicht besonders orginell, aber Steve McQueen spürte, daß sich daraus etwas machen ließ. Es geht um einen Gangster, der als Kronzeuge vor einem Senatsausschuß aussagen soll. Detective Lt. Fank Bullit soll ihn solange beschützen. Aber der Zeuge wird von einem Killer angeschossen und stirbt im Krankenhaus. Wie sich schließlich herausstellt, ist man auf einen Doppelgänger hereingefallen, und der wahre Zeuge ist flüchtig. Bullit, der sich von den Versuchen korrupter Politiker, ihn zurückzuhalten, nicht beeindrucken läßt, bringt den Gangster erbarmungslos zur Strecke.

Als Regisseur wurde der Brite Peter Yates verpflichtet, dessen Film Überfall von 1967 sich besonders durch eine hervorragend inszenierte Autoverfolgungsjagd ausgezeichnet hatte. McQueen, selbst ein Geschwindigkeitsfanatiker und begeisterter Motorrad- und Auto-Freak, verstand sich auf Anhieb ausgezeichnet mit dem Regisseur. Die beiden konstruierten für Bullit eine Autoverfolgungsjagd, die in die Geschichte des Kinos einging.

Ungefähr zwölf Minuten lang dauert die berühmte Sequenz, in der McQueen in einem 390 GT Mustang zunächst von zwei Gangstern in einem 440 Dodge Charger verfolgt wird. Aber Bullit lokalisiert die Verfolger, dreht den Spieß um und wird vom Gejagten zum Jäger. Mit mehr als 100 Stundenkilometern rasen sie durch das hügelige San Francisco. Die Jagd, mal aus weiter Entfernung mit extrem langer Brennweite, dann wiederum dicht über dem Asphalt mit einer Kamera an Bullits Auto aufgenommen, war die bis dahin perfekteste filmische Umsetzung einer Verfolgungsjagd. Kein Wunder, daß es eine ganze Menge von Imitationen und Kopien dieser Sequenz gegeben hat. Besonders William Friedkin scheint sie sehr genau studiert zu haben. Er variiert sie, recht erfolgreich, in French Connection (1972) und dann noch einmal 1985 in Leben und Sterben in L.A., ohne jedoch die Dramatik des Orginals zu erreichen.

Natürlich wurde auch diesmal verbreitet, Steve McQueen habe sämtliche Stunts selbst ausgeführt. Das stimmte aber nur zum Teil. McQueen hatte es sich in der Tat nicht nehmen lassen, mit Höchstgeschwindigkeiten über die Hügelstraßen von San Francisco zu düsen, aber bei den atemberaubenden Luftsprüngen, die der Mustang während der Jagd vollführt, und auch während der Schlußszene - der Sequenz, in der der Wagen der Killer in die Tankstelle rast (auch hier wurde übrigens wieder vom Deutschen Fernsehen zensiert und geschnitten) - lenkte eine Stuntman das Geschoß auf Rädern.

Am Freitag, den 7. November 1980, um 3.50 Uhr, hörte das Herz in Steve McQueens krebszerfressenen Körper auf zu schlagen. Gemäß seinem Wunsch wurde seine Leiche verbrannt und seine Urne im Pazifik versenkt.

Karl Wegmann

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