: „Kein Arbeiterkulturverein“
■ Neu im CULTURE CLUB: Dr. Peter Beier, Angestelltenkammer-Kultur
taz: Was mir immer auffiel, war, daß da ein unendlicher Ausstoß von kulturellen Veranstaltungen ist. Ist das mit Ihnen gekommen?
Peter Beier: Die Vorgeschichte ist, daß die Kammer eigentlich seit eh und je sowas wie Kulturarbeit machen sollte. Das steht ja im Gesetz drin. Es gab immer mal wieder Debatten, aber so lange die DAG hier im Haus die Mehrheit hatte, haben wir uns gesagt, laß uns da lieber nicht dran rühren, weil die Art von Kultur, die dann hier installiert wird, da laufen wir schreiend davon. Als dann der DGB hier im Haus die Mehrheit gekriegt hat, da haben wir uns mehr zugetraut und wollten es mal versuchen. Und es gab auch im Vorstand Stimmen, die gesagt haben, es gehört auch zu so einer Institution dazu, Kulturarbeit zu machen. Aber da kommt ganz schnell die Überlegung, das muß sowas wie Arbeitnehmerkultur sein, und das ist eine Debatte, die ist noch überhaupt nicht ausgestanden. Da gibt es noch eine ganze Menge Konflikte, wo so Positionen entwickelt werden, wenn wir Kulturarbeit machen, dann muß es was „für die Kollegen von der Basis“ sein.
Aber das hat doch wenig mit Ihrer tatsächlichen Arbeit zu tun.
Wir wollen eine Kulturarbeit, die sich einmischt, die mehr in den Bereich Streitkultur geht, die mit dem, was sie macht, auch ein Stück hier das Fot
Peter Beier
frech ist, die ein Stück vorprescht. Und es sollte eine Kulturarbeit sein, die ein Stück Kulturpolitik ist, in dem Sinn, zu kucken, wie sich bestimmte Forma
von dem Mann Foto: Sabine Heddinga
tionen in der Gesellschaft herausbilden, welche Lebenswelten da entstehen, welche neuen Wahrnehmungsmuster da sind. Ich find‘ es z.B. wahnsinnig, wie die Innen
stadt immer mehr zu so einer Scheinwelt explodiert, die sich als Erlebniswelt verkauft. Dadurch entstehen Wahrnehmungsmuster, durch die Art und Weise, wie Leute sich darauf beziehen. Und das mit den Mitteln von Theater, von Fotoausstellungen usw. darzustellen.
Und von daher haben sich die Schwerpunkte herausgebildet. Diese Reihen mit Jazz und mit Kabarett und Ausstellungen und die Schwerpunktsetzungen wie die Geschichte mit „Ich Mensch
-Du Maschine“, dann das Programm so um den 8. März herum.
Das klingt ja ziemlich paradiesisch. Es gibt zwar ein bißchen Ärger mit den Kollegen in der Kammer, aber eigentlich machen Sie doch was Sie wollen.
Hinter den Fassaden sieht das alles nicht so ideal aus. Konkret ist es so, daß wir für das Gesamtprogramm einen Jahresetat haben von 70.000 Mark. Das ist etwas weniger als 1% des Beitragsvolumens, das entspricht etwa dem Kulturetat des Senats. Der andere Haken: Ich mache das auf einer halben Stelle, das ist also, auch was die konkreten Arbeitsbedingungen angeht, nicht so das Optimale.
Wie schätzen Sie den Stellenwert Ihrer Kulturarbeit in der Öffentlichkeitsarbeit der Angestelltenkammer ein?
Aus meiner Sicht haben die Gewerkschaften erkannt, daß das zur Außendarstellung solch einer Institution wesentlich beiträgt, Kulturarbeit zu machen, aber sie haben keine Vorstellung davon, daß das insgesamt auch ein politisches Ereignis ist, Kultur zu machen, denn in deren Selbstverständnis ist es nur das schmückende Beiwerk zur Politik. Die haben immer noch nicht kapiert, daß Politik was sehr Komplexes und insgesamt ein Prozess ist. Für die ist Politik ein Antrag an den Wirtschaftsminister, oder eine Beratungsstelle einrichten. Das sind natürlich alles Elemente von Politik, die wirken aber erst dadurch, daß sie ineinandergreifen, daß etwas in Bewegung gerät, sich einmischen, Felder besetzen, was entwickeln. Und da spielt Kultur und Kulturarbeit eine ganz große Rolle.
Wie ist die Resonanz bei den Kollegen?
Alle finden gut, daß so viel passiert. So vom Lebensgefühl hier im Haus, weil so viel passiert. Und was die Sachen selbst angeht, gibt es schon sehr unterschiedliche Reaktionen. Weil ja auch sehr unterschiedliche Kollegen hier im Haus sind, da gibt es welche, die machen mit und sind sehr angetan, und andere, z.B. die Kolleginnen, die unten im Foyer arbeiten und auch am meisten davon mitkriegen, die finden manches so naja.
Fragen: staks
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