: Senat will Eltern für Streikbruch bezahlen
■ Eltern, die in bestreikten Kitas Kinder betreuen, sollen Stundenlohn erhalten / Gewerkschaften sprechen von erstem Schritt zur „Aussperrung“
Senat finanziert StreikbrecherInnen: Sozialsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) gab gestern bekannt, daß der Senat ab sofort Eltern, die ihre Kinder in Kitas selbst betreuen wollen, 14 Mark pro Stunde zahlt. In einem Schreiben an die für die zuständigen JugendstadträtInnen der Bezirke fordert sie diese auf, die Kitas für betreuungswillige Eltern zu öffnen. Zur Finanzierung der streikbrechenden Erziehungsberechtigten habe der Senat „kurzfristig Sachmittel bereitgestellt“. Die Abwicklung unterliege den Jugendämtern, die auch Eltern bezahlen dürfen, die die Betreuung privat organisieren. Stahmer lehnte in dem Schreiben erneut eine tarifliche Regelung von Personalschlüsseln und Gruppengrößen ab und forderte die Gewerkschaften auf, den Streik auszusetzen. Die drei AL-SenatorInnen meldeten während der gestrigen Senatssitzung Bedenken gegen die Bezahlung von „Ersatz -ErzieherInnen“ an. Zu einer Abstimmung kam es nicht.
Die Gewerkschaften bewerteten den Stahmer-Brief als „ersten Schritt in die Aussperrung“, womit der Senat den Tarifkonflikt zu einem „für alle Beteiligten unerträglichen Machtkampf“ mache. Sie forderten auch, die Vor- und Nachbereitungszeiten tariflich festzuschreiben.
Die JugendstadträtInnen die zum Teil schon seit Wochen Kitas geöffnet haben und in Jugendheimen Notbetreuung durchführen, reagierten unterschiedlich. Ada Withake-Scholz vom Bezirk Tiergarten lehnt ab, weil dies den Streik untergraben würde. Ihr Kollege Kolodziejcok aus dem Wedding will „das aufgreifen, wenn der Senat uns das zusätzlich zahlt“. Er betreut bereits 20 Prozent der Kinder wieder. Aus Kreuzberg heißt es, daß die Einrichtungen weiter geschlossen bleiben, auch in Schöneberg ist Jugendstadträtin Bärbel Hiller empört: „Das ist abenteuerlich, der Senat hat uns 10 Wochen lang den Streik allein verwalten lassen und entscheidet nun über unseren Kopf hinweg.“ Sie bezweifelt, ob die Eltern den normalen Kita-Betrieb überhaupt gewährleisten können. Auch der Landeselternausschuß bezeichnete den Stahmer-Brief als „unnötige Verschärfung“, die auch Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen ErzieherInnen und Eltern nach Ende des Streiks haben werde.
Über die Fortsetzung des Streiks wollen die Gewerkschaften heute in bezirklichen Streikversammlungen geheim abstimmen lassen. Am Donnerstag soll dann die gemeinsame Tarifkommission beider Gewerkschaften entscheiden. Für Freitag ist eine Streikvollversammlung im ICC angesetzt.
kotte
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