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„Nieder mit dem Rassismus“

■ Nur Tausend demonstrierten auf dem Marktplatz gegen das verschärfte Ausländergesetz

Es ist das Zeitalter der Wiedervereinigung. Die Angst der AusländerInnen vor den Deutschen nimmt zu. Einige malen sich Schlimmstes aus: Hayati Kaplan, von der kurdischen Jugendinitiative: „Viele Jugendliche von uns sagen: Wenn wir aus Deutschland raus müssen, wohin sollen wir gehen? Die Türken haben ihr Land, die Jugoslawen haben ihr Land, die Griechen haben ihr Land. Aber wir Kurden?“ Die Jugendlichen der zweiten Generation, die zum Teil in Bremen geboren sind, wollen deshalb dafür kämpfen, daß sie hierbleiben können. Gestern - an ihrem „Newroz„-Tag - hielten kurdische Jugendliche, die sich regelmäßig im Lagerhaus Schildstraße treffen, eine kleine Mahnwache auf dem Marktplatz. Für sie hat ihr großer Fest-und Widerstandstag - „Newroz“ - eine andere Bedeutung als für die erste Generation der kurdischen Einwanderer: Nicht mehr Kampf gegen nationale Unterdrückung

in der Heimat, sondern Widerstand gegen Ausländerfeindlichkeit und Rassismus in der Bundesrepublik. „Nein zu allen Ausländergesetzen“, steht auf dem Pappschild. Die älteren Kurden vom „Verein der Arbeiter aus Kurdistan“, die sich dazu gesellt haben, sind mehr der Heimat verbunden. Sie hängen dem Roland um sein güldenes Gitterchen ein Stofftransparent: „Schluß mit dem Volkskrieg gegen das kurdische Volk.“

Später, kurz nach fünf, zieht ein Demonstrationszug vom Hauptbahnhof über den Brill auf den Marktplatz. Er richtet sich gegen das Ausländergesetz, das im Mai im Bundestag verabschiedet werden soll, und das auch die Rechte der 50.000 bremischen AusländerInnen weiter beschneiden wird. Rund 1.000 Leute gehen im Zug mit, die Mehrheit ausländische BremerInnen, viele Frauen sind dabei: PalästinenserInnen, SpanierInnen, GriechIn

nen, TürkInnen, junge und alte. In der Mitte Musiker mit Trommel und dem orientalischen Blasinstrument, das „Zurna“ heißt und sich für mitteleuropäische Ohren ähnlich wie ein Dudelsack anhört. Die Parole ist nicht neu. Sie heißt: „Hoch die internationale Solidarität“. Dazwischen auch junge deutsche Antifas mit grünen Haaren, Schülerinnen von der Hamburger Straße, SozialarbeiterInnen, Aktive von der „Interessensgemeinschaft der mit Ausländern verheirateten Frauen“. Vor Karstadt hält der Zug. Es wird getrommelt, getanzt und „Zurna“ geblasen. Auf dem Marktplatz spielt die griechische Musikgruppe „Orpheas“ auf.

Organisiert hatte die Demonstration der „Dachverband der Ausländerkulturvereine“ (DAB). Im Vorfeld hatte es jedoch Konflikte gegeben, weil der DAB mit dem Organisieren ausgerechnet dann erst angefangen hatte, als andere Ausländer-und

Solidaritätsgruppen schließlich die Initiative ergriffen hatten. Auf der Demo wurde denn auch ein Flugblatt verteilt, in dem der DAB als „SPD-naher Koloß“ kritisiert wurde. Auf der Kundgebung kam es zu einem Zwischenfall: Während der Rede des Gewerkschaftsvertreters stürmten etwa dreißig KurdInnen den Lautsprecherwagen, rangelten mit Ordnern des DAB, drängten den Redner zur Seite und verlasen ein Flugblatt, das mit der Forderung endete: „Es lebe der gemeinsame Kampf aller einheimischen und ausländischen Werktätigen.“ Dann überließen sie den Lautsprecherwagen wieder dem DGB.

Hayati Kaplan hat mit mehr DemonstrantInnen gerechnet: „Die Deutschen sind durch die Einheit total blockiert für andere Probleme. - Und die Ausländer sind sich nicht so bewußt, was auf sie zukommt.“

Barbara Debus

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