: Das BKA als Drogendealer?
■ Eine Reportage in der „Rundschau“, 21 Uhr auf 3sat
Wo und wann immer Polizei-Politiker starke Worte gegen die internationale Drogenmafia schwingen - wie erst letzte Woche die westdeutsche Innenministerkonferenz in Münster-Hiltrup und am Wochenende eine europäische Ministerrunde in Rom -, ist ihnen öffentlicher Beifall gewiß. Die dubiosen Abwege, auf die beamtete Drogenfahnder und ihre freischaffenden Lockspitzel mitunter selbst geraten, verfolgten die beiden Schweizer TV-Reporter Frank Garbely und Hans-Jörg Brügger. Ein aufschlußreicher Beitrag zur Debatte über den zunehmenden Einsatz geheimdienstlicher Mittel in der polizeilichen Drogenfahndung - Stichwort „verdeckter Ermittler“ -, deren gesetzliche Regelung derzeit in den Bonner Kulissen in der Mache ist.
„Haschisch für 10 Millionen beschlagnahmt“, titelte im April 1987 die 'Bild'-Zeitung auf der Frontseite. In der Nähe von Münster hatten Drogenfahnder des Bundeskriminalamtes in einer Scheune eine halbe Tonne Haschisch sichergestellt und einen eingebürgerten Jordanier verhaftet. „Die Ermittlungen über Herkunft, Transport und Abnehmer des Stoffes“, so seinerzeit die Kripo, „laufen noch auf Hochtouren.“ Den Schweiß hätten sich die Ermittler sparen können: Schließlich stammte der Stoff aus der sogenannten „kontrollierten Einfuhr“, das heißt, das Schmuggelgut war unter den Augen des BKA ins Land geschleust worden.
Die bei Münster pressewirksam aufgespürte Teilladung hatte dem Jordanier ein Herr namens Abu Elias untergejubelt. Dieser Mann, eigentlich die Hauptfigur der Story, bleibt im Film unsichtbar. Er blieb es auch vor Gericht: Mangels Beweisen lehnte das Landgericht Münster im Mai 1988 die Eröffnung des Hauptverfahrens ab, billigte dem Jordanier gar Entschädigung zu. Das Gericht monierte, daß das BKA die Identität des Abu Elias geheimhielt und eine Vernehmung verhinderte. Die beiden Reporter spürten das Phantom mit dem orientalischen Namen in den Akten eines anderen Prozesses auf: Laut Protokollen des Landgerichts Hildesheim hatte Abu Elias schon im Herbst 1986 eine Tonne Haschisch aus einer „kontrollierten Einfuhr“ aus dem Libanon feilgeboten. Nach langem Hin und Her bissen drei Dealer an. Sie kauften eine halbe Tonne, wurden geschnappt und verknackt. In den Prozeßakten wird der große Unbekannte Abu Elias als „Agent provocateur“ der Polizei geführt.
Schleuste das BKA also in Einzelfällen selbst die Drogen ins Land, um sie hernach medienwirksam sicherzustellen? Ein ungeheuerlicher Verdacht, der gleichwohl schon öfter laut wurde. Dazu bewegten die TV-Reporter erstmals einen ranghohen Drogenfahnder des BKA zu einer Aussage vor der Kamera - der die Vorwürfe bestätigt. In einem an die Leitung der BKA-Rauschgiftabteilung adressierten internen Papier kritisierte der Bund Deutscher Kriminalbeamter, daß Rauschgift von der Polizei „eigeninitiativ eingeführt und dann der kaufende Straftäter gesucht wird“. Dabei handele es sich, so der Verfasser, um „sehr erhebliche Mengen“! Der Beamte wurde übrigens alsbald in den Bereich Kunstdiebstahl versetzt und inzwischen vorzeitig pensioniert.
Thomas Scheuer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen