: Neu im Tivoli: „Driving Miss Daisy“ von Bruce Beresford
■ Hermetische Würde
Miss Daisy geht ihren Gang, komme, was da wolle, aber freiwillig kommen sowieso nur Frühling, Sommer, Herbst und Winter: Sie verändert sich nicht. Eine spleenlose reiche alte Dame 1948 in Atlanta, spiddelig und unfroh wie ein abgenagter Knochen. Das Leben ist abgedunkelt wie ihre Villa und eine Anordnung von nutzlosen Nützlichkeiten; und für wen sie noch Gürkchen einmacht und eines ihrer drei Kleidchen trägt, ist ihr selbst ein Rätsel. Manchmal kommen drei Freundinnen, regelmäßig geht sie in die Synagoge, regelmäßig erledigt sie ihre Einkäufe bei Piggly&Wiggly oder so ähnlich, regelmäßig sitzt sie an ihrem kleinen Schreibtischchen im halbverwaisten Eheschlafzimmer und kratzt mit einer Füllfeder auf ein Stückchen Papier; und sicherlich schreibt sie keinen Brief, wem sollte sie antworten? Keiner interessiert sich für sie, und sie interessiert sich für niemand.
Und wenn sie nicht eines Morgens unregelmäßigerweise den Wagen in Nachbars Garten gesetzt hätte, und wenn ihr Sohn ihr daraufhin nicht einen alten schwarzen Chauffeur aufgezwungen hätte, würde sich für Miss Daisy auch im Kino kein Mensch interessieren.
Miss Daisy und ihr Chauffeur, wie die noch nie für Understatement berühmte deutsche Übersetzung den Titel vermurkst hat, ist ein Film mit unprätentiösen Bildern, mit dem man nur langsam warm wird. Manchmal scheint es, als wollten die Bilder uns genau so vom Leib halten wie Miss Daisy die bloße Gegenwart von Hoke, dem Chauffeur. 25 lange Jahre lang fährt er sie durch Atlanta und einmal darüber hinaus, läßt sich klischeegutmütig ihre Brüskierungen gefallen, und etwa alle fünf Jahre ändert sich eine Kleinigkeit im Verhalten der Miss zu ihrem alten Boy. Das ist dann irgendwie rührend, und nur an Jessica Tandy als Miss Daisy und Morgan Freeman als Hoke kann es liegen, daß aus der Rührkomödie kein sentimentales Schinkchen wird.
Die beiden spielen dieses ungleiche Paar nicht als verdoppelte Opfer ihrer Zeit, sondern mit einer sehr leisen Würde und immer noch verwundbaren Gesichtern hinter all dieser hermetischen Geschlossenheit ihres seltsamen Gegeneinanderlebens. Erst zum Schluß, als Miss Daisy schon zunehmend geistig durcheinandergerät, ist sie bloß für Hoke noch wirklich zu sprechen und nennt ihn ihren einzigen Freund. Da ist es vielleicht zu spät. clak
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen