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Hehre Wissenschaft

Der Streit zwischen Gallo und Montagnier um die Entdeckung des Aids-Virus  ■ K O M M E N T A R

Er ist schon arg gebeutelt, der Wissenschaftsstolz der „Grande Nation“. Den letztjährigen Nobelpreis für Medizin heimsten zwei US-Genforscher ein, was den Franzosen Dominique Stehelin zum Protest veranlaßte: Nachvollziehbar schilderte er, die eigentliche Arbeit sei von ihm während eines Forschungsaufenthaltes in Kalifornien gemacht worden.

Das Warten Luc Montagniers vom Pasteur-Institut auf seinen Nobelpreis hat ebenfalls Überlänge. Die verdienst - und traditionsreiche Bioschmiede hatte einen herben Hieb hinnehmen müssen, als der begründete Verdacht aufkeimte, sechs ihrer Forscher seien an Krebs gestorben, nachdem Onkogene, mit denen sie gearbeitet hatten, aus dem Reagenzglas entfleucht waren. Da wäre die höchste Auszeichnung der Wissenschaftswelt für den Entdecker des Aids-Erregers gerade recht gekommen. Denn daß der begnadete Virologe das heute HIV genannte Kleinstlebewesen als erster im Elektronenmikroskop ausmachte, daran bestand in Fachkreisen nie ein Zweifel. Schon vor Jahren hatte Aids -Forscher Robert Gallo einräumen müssen, er habe in seiner „Erst„publikation des HIV „versehentlich“ ein Foto von Montagnier verwandt.

Man muß sie persönlich erlebt haben, die beiden Spitzenforscher Gallo und Montagnier: Ersterer amerikanisch -alert, publicity-plural, virologisch-viril; der Gallier ganz Grandseigneur. Doch dann hatten sich die Manager ihrer Institute so schön geeinigt. Der Streit um das jus primae nocte wurde nicht nur beigelegt: Als „Geste der Versöhnung“ wurde gar eine französisch-amerikanische Aids-Stiftung ins Leben gerufen. Wo also liegt der eigentliche „Skandal“? Darin, daß es erst der zweijährigen Recherche eines amerikanischen Journalisten bedurfte, um die nationalistischen Machenschaften aufzudecken. Darin, daß es eben nicht nur um Ehrlichkeit und Ehre ging und geht, sondern um Patente und Penunze. Darin, daß das Milliardengeschäft mit Mikroben seinerzeit sogar zu Verzögerungen des Fortschritts führte. Grundsätzlich darin, daß dies nur ein Beispiel ist für die Verstrickungen und Kapitalabhängigkeiten heutiger Wissenschaft. Nun mag es naiv, gar retrograd scheinen, verlorene Jungfernschaft zu beweinen. Die Kinder dieser Vereinigung aber sind sozial - und naturunverträglich.

David Singer

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