: DDR-Redaktionsalltag
Die Ost-taz, ein Joint-venture der anderen Art, erscheint heute zum 22.Mal / KorrespondentInnen ohne Telefon ■ taz - intern
Wenn die taz-LeserInnen West morgens um neun oder auch eine Stunde früher aufstehen, dann ist die DDR-Ausgabe der taz an den meisten Kiosken schon ausverkauft - auf 70.000 Stück pro Tag ist die Auflage geklettert. Die 22.Ausgabe dieses „Joint -venture der anderen Art“ erscheint am heutigen Freitag, ein kleines Wunder.
Denn die taz ist nach wie vor die einzige Zeitung, die für die DDR ein eigenes Produkt anbietet. 80 DDR-Pfennig teuer und in Kooperation mit der West-taz, aber weitgehend von einer eigenen DDR-Redaktion hergestellt.
Und unter DDR-Bedingungen: Wie korrespondiere ich mit freien MitarbeiterInnen, wenn die meisten kein Telefon haben und Telefax ein Fremdwort ist? Und wenn keine Pressemitteilung schnell per Post bei der Redaktion ankommen kann, weil die nämlich acht Tage und mehr braucht...
Der redaktionelle DDR-Alltag ist auf ein aktuelles, schnelles Medium nicht eingestellt. Die Behörden haben zwar inzwischen den Titel des Pressesprechers vergeben, aber die sind meist schlechter informiert als die JournalistInnen. Was ist das für eine DDR, in der die West-CDU die Wahlen gewinnt und eine DDR-CDU mit 40 Jahren Erfahrung in erdrückender SED-Kooperation die Regierung übernehmen soll? Daß am Tage nach der Wahl nicht erklärt werden kann, wer denn überhaupt Ministerpräsident werden soll, hat nach altem Muster keine der DDR-Zeitungen weiter gewundert. Insofern ist die DDR-taz eine neue Zeitung, nach westlichem Muster. Eine, die sich einläßt auf die verwickelte deutsch-deutsche Realität, in der in den nächsten Tagen eine CDU-geführte Regierung die Posten an der Berliner Mauer zum Dienst einteilt.
KW
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