Meine Bewerbung für die CIA

■ Die drei Tage des Condor, SAT 1

To

William H. Webster, Director, Central Intelligence Agency

Langley, Virginia, USA

Dear Bill, nachdem sie jetzt zum wiederholten Mal im Deutschen Fernsehen Sydney Pollacks Film Die drei Tage des Condor ausstrahlen, finde ich endlich den Mut, mich bei Deiner aufregenden Behörde als Mitarbeiter zu bewerben. Eigentlich wollte ich das ja schon 1974 machen, als ich den Roman Die sechs Tage des Condor von James Grady gelesen hatte, nach dem Pollack dann seinen Thriller drehte. Ich kann Dir sagen, ich war ganz schön aufgeregt, als ich spitzkriegte, daß Ihr Leute fürs Krimilesen bezahlt. Damals hatte ich aber einfach noch nicht genug von den Dingern gelesen, um ein wirklich guter CIA-Mann zu werden. Das ist jetzt anders, ich habe inzwischen Tausende von Krimis in mich hineingefressen und glaube, ich bin mehr als reif für Deine Firma.

Und zwar will ich genau den Job, den Robert Redford in dem Film hat. Du weißt schon, das ist die Stelle in der Intelligence Division, Sektion 9, Department 17 in Washington, dieses weiße, dreistöckige Haus mit der Stuckfassade, vier Straßenblöcke hinter der Kongreßbibliothek, nach der Southeast A und der Vierten Straße. Habt ihr ja wirklich raffiniert getarnt, mit diesem Bronzeschild, auf dem zu lesen ist, daß sich hier der Hauptsitz der Amerikanischen Literar-Historischen Gesellschaft befindet. Gefällt mir! Da ist mein Platz, da will ich meinen Lesesessel haben, um für euch acht Stunden am Tag (bin auch durchaus bereit, ab und zu ein paar Überstunden zu schieben) Kriminal- und Spionageromane zu lesen und zu analysieren. Ich verpflichte mich auch, pünktlich meine Berichte nach Langley zu schicken, damit ihr rausfinden könnt, ob der Autor nur richtig geraten hat oder ob er mehr wußte, als er sollte. Natürlich lernt ihr bei dieser Gelegenheit auch gleich die neuesten Tricks kennen, ist ja logisch!

Okay, ich sehe natürlich nicht so gut aus wie Blondie Robert Redford, aber... Hast Du übrigens gehört, was er zu seinem Regisseur gesagt hat, als er Gradys Buch gelesen hatte? Nein? Hab‘ ich mir doch gedacht! Also er sagte, ich zitiere: „Ich hab‘ da gerade 'ne Sache gelesen, mit der wir sofort loslegen können. Das Ding ist große Scheiße, aber genau das, wovon wir immer gesprochen haben, nichts mit Tiefgang und so. Ein Popcornfilm, ein Thriller!„ Ich bitte Dich, ein Film über Deine wundervolle Firma ein Popcornfilm? Beruhige Dich wieder, Bill, er hat nämlich auch mal gesagt: „Um zu wissen, was Angst ist, genügt es, aufzuwachen.„ Da siehst Du's, ein echter Waschlappen, jede Toilettenfrau bei Euch hat mehr Mumm in den Knochen als dieser Schönling. Na, dafür hat er sich ja auch ordentlich mit Faye Dunaway in die Haare gekriegt, die hat die Dreharbeiten nämlich wirklich ernst genommen.

Also ich bin da echt von einem ganz anderen Kaliber. Ich erinnere mich immer wieder gerne an die Rede, die Dein früherer Präsident Lyndon B. Johnson bei der Amtseinführung und Vereidigung Deines Vorgängers Richard M.Helms am 30.Juni 1966 gehalten hat. Weißt Du noch? Ich meine diese Stelle, wo er sagt: “... die wichtigsten Erkenntnisse gewinnt man nicht durch vertrauliche Mitteilungen aus dunklen Quellen, sondern durch geduldiges Lesen, Stunde um Stunde, von reinen Fachzeitschriften. Im eigentlichen Sinn sind die patriotischen und loyalen CIA-researchers Amerikas wirkliche Studenten. Sie sind im gleichen Maße die unbesungenen Helden, wie sie wichtig sind.„ Der Mann hatte noch was los, was, Bill?

Also ich weiß auch nicht, ich kann es einfach nicht ab, wenn sie Deiner Firma immer wieder ans Bein pinkeln. Okay, wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten, wie unser Dichter Goethe einmal sagte (keine Angst, der Mann ist schon tot), aber sie sollten doch wirklich etwas mehr Respekt zeigen. Du denkst jetzt sicher, daß wir hier von der taz auch nicht immer freundlich mit Euch umspringen. Hast ja recht, ich geb's zu. Aber wenn Du mir den Job gibst, versprech ich Dir, sämtliche Krimirezensionen, die ich je geschrieben habe, mitzubringen. Haben wir alle auf Magnetband gespeichert. Mario vom Archiv wird zwar mächtig sauer sein, aber da kann ich dann auch keine Rücksicht mehr drauf nehmen. Denn wie hat euer wundervoller Schauspieler John Wayne (Gott oder wer auch immer sei seiner armen Seele gnädig) das einmal so treffend ausgedrückt: „Ein Mann muß das tun, was er tun muß.„ Genau! Ich sag‘ Dir, Bill, genau das ist es!

Ach so, da gibt es natürlich noch das Problem mit der Tarnung. Robert Redfords Deckname in dem Film ist ja „Condor“, und ich habe mir jetzt überlegt, wenn ihr so auf Vogelnamen steht, könnt ihr für mich doch „Ziegenmelker“ nehmen, das ist nämlich auch ein Vogel, obwohl es sich nicht so anhört. Eine gute Tarnung ist doch schließlich schon der halbe Job, was, Bill?

Ich glaube, Du kannst Dir jetzt ein gutes Bild von mir machen. Vergiß also Robert Redford und Hollywood. Ich bin Dein Mann! In freudiger Erregung Deinen positiven Bescheid erwartend, Dein

Karl Wegmann

Die drei Tage des Condor, Samstag um 22.05 Uhr auf SAT 1